Offener Brief an den Rektor der TU Chemnitz sowie alle Mitarbeiter (18.12.2000)
Sehr geehrte Damen und Herren.
In einer Pressemitteilung vom 16.11.2000 mit dem Titel
"Das öffentliche Ansehen der TU Chemnitz ist in Gefahr" (einzusehen auf der
Webseite der TU) hat die TU Chemnitz den Studenten der Universität, Herrn Samir Jamli,
namentlich und öffentlich beschuldigt, auf seinen Webseiten der Universität sich dem
"Verdacht der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates tnd der öffentlichen
Ordnung" ausgesetzt zu haben. Der Betroffene hat sich in der Zwischenzeit an das
Internet-Portal Muslim-Markt mit der Bitte um Hilfe gewandt.
Da der Muslim-Markt grundsätzlich und unabhängig von tatsächlichen Sachverhalt eine
gütige Verständigung einer juristischen Auseinandersetzung vorzieht, hat der
Muslim-Markt in mehreren Mails versucht, einen Weg der Verständigung zwischen Herrn Jamli
und dem Rektor der TU Chemnitz herzustellen. Um immer genügend Zeugen für unser Handeln
zu haben, wurden alle Mails sowie die Antworten des Rektors an mehrere Hochschullehrer
gleichzeitig gesandt. Das uns nunmehr vorliegende Resultat empfinden wir
bedauerlicherweise als skandalös für eine deutsche Universität und wenden uns an Sie
alle mit der Bitte bevorstehendes Unrecht abzuwenden.
Bevor wir auf die Einzelheiten eingehen, stellen wir in aller Deutlichkeit fest, dass wir
uns von jeglicher möglicher früherer oder zukünftiger Straftat Herrn Jamlis in
entschiedener Weise distanzieren und diese in keinster Weise versuchen zu rechtfertigen.
Das ist Sache der deutschen Gerichte, die auf rechtmäßige Weise nach den notwendigen
Ermittlungen rechtmäßige Urteile fällen werden. Auch distanzieren wir uns von jeglichen
mündlichen wie schriftlichen Äußerungen Herrn Jamlis, selbst wenn diese nicht direkt
rechtsrelevant sein sollten, falls diese bereits den Anstand oder das gute Benehmen
verletzen, und weiterhin distanzieren wir uns auch von jeglichen Äußerungen Herrn Jamlis
im Internet. Trotz aller genannten Aspekte sehen wir es aber dennoch als unsere geboten
Pflicht an, unabhängig von einem möglichen Unrecht Herrn Jamlis gegen die TU Chemnitz
oder gegen andere Institutionen, auf das mögliche Unrecht der TU Chemnitz gegen Herrn
Jamli hinzuweisen, insbesondere weil es sich bei dem Fall um eine extrem ungleiche
Auseinandersetzung handelt.
Der Rektor der TU Chemnitz Prof. Grünthal hat von Anfang an auf die freundlichen Anfragen
des Muslim-Markt eine Haltung eingenommen, die von den Lesern seiner Briefe im
Muslim-Markt als "deutlich feindlich" empfunden wurde. Er hat, nach Auffassung
der Mitarbeiter des Muslim-Markt, in aller Deutlichkeit jeden Weg einer Verständigung
abgelehnt und zudem nunmehr das in der oben beschriebenen Pressemitteilung angedrohte
Ordnungsverfahren gegen Herrn Jamli eingeleitet. Ein weiterer Versuch des Muslim-Markt zur
Schlichtung über einen anderen Hochschullehrer blieb ohne Ergebnis.
Es sei wiederholt: Es ist und war niemals die Intention des Muslim-Markt, noch aller
anderen informierten Personen und Organisationen, eine mutmaßliche Straftat zu
rechtfertigen, noch möchten wir die TU Chemnitz für ein Unrecht beschuldigen, das diese
nicht begangen hat. Aber die äußeren Umstände der Angelegenheit lassen für
unabhängige Beobachter den Gedanken zu, dass hier offensichtlich ein Student "fertig
gemacht" werden soll. Dagegen wehren wir uns völlig unabhängig von dem Verhalten
von Herrn Jamli, das ohnehin derzeit rechtsstaatlich geprüft wird.
Im Folgenden möchten wir Sie über einige aus unserer Sicht merkwürdige Gegebenheiten in
diesem Fall informieren.
| In oben genannter Pressemitteilung der TU Chemnitz wird erwähnt, dass Herr Jamli sich
dem "Verdacht der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates und der öffentlichen
Ordnung" ausgesetzt habe; ein wirklich schwerwiegender Vorwurf einer Universität,
die in einer früheren Vergangenheit ähnliche Vorwürfe gegen unliebsame Studenten
verwendet hat. Unsere Frage dazu: Wenn die Vorwürfe gegen Herrn Jamli wirklich derart
gravierend sind, warum wurde dann bisher nicht die Generalbundesanwaltschaft
eingeschaltet? |
| In der Pressemitteilung der TU Chemnitz heißt es weiterhin: "Die Situation
verschärfte sich in den letzten Tagen soweit, dass sich Jamli Samir am 14. November 2000
gewaltsam Zugang in Diensträume der Universität verschaffte und Mitarbeiterinnen
tätlich angriff". Diese Information der TU scheint wirklich übertrieben und der
tatsächlichen Sachlage nicht gerecht zu werden, denn Herr Jamli hat einer Mitarbeiterin,
die gegen seinen Willen, seine Worte protokollierte, diesen Zettel aus der Hand gerissen,
zerrissen und der Mitarbeiterin ins Gesicht geworfen. So verwerflich das Verhalten von
Herrn Jamli auch ist, so sehr ist die öffentliche Darstellung der Universität extrem
übertrieben, denn nicht einmal die anwesenden männlichen Augenzeugen, brauchten
einzugreifen. Es sei allerdings festgestellt, dass die TU hier eine Veröffentlichung mit
einer Art Vorverurteilung in einem laufenden Verfahren durchführt, was wir für äußerst
bedenklich erachten. |
| Die allerdings wohl merkwürdigste Passage der Pressemitteilung ist der Schluss:
"Von den herbeigerufenen Polizeibeamten wurde er nach begangenen Tätlichkeiten und
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zum Polizeirevier Chemnitz-Mitte überführt. Nach
der erkennungsdienstlichen Behandlung wurde dort Jamli Samir das Recht eingeräumt, einen
Rechtsanwalt anzurufen. Unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers erfolgte die
Beschuldigtenvernehmung. Jamli Samir wurde am gleichen Tag aus der Polizeidienststelle
entlassen. Gegen Jamli Samir wird gegenwärtig wegen Körperverletzung, Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Hausfriedensbruch ermittelt." Zunächst einmal
fällt auf, dass die TU Chemnitz eine Pressemitteilung über ein Ereignis herausgibt, das
sie selbst teilweise gar nicht miterlebt haben kann, ohne Berufung auf ein mögliches
Polizeiprotokoll oder Mitteilung der Polizei. Auch das lässt Erinnerungen an eine Zeit
wach werden, in der Polizei und Universität in einer Art verstrickt waren, die sicherlich
als Gefährdung eines demokratischen Rechtsstaates bezeichnet werden kann. Darüberhinaus
beschuldigt die TU Chemnitz Herrn Jamli öffentlich und ohne jegliche Einschränkung
Tätlichkeiten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben, obwohl die
Polizei diesbezüglich selbst erst noch ermittelt. Unsere Frage dazu: Spielt sich die TU
Chemnitz jetzt als Ankläger und Richter zugleich auf? |
| Die gleiche Universität, die Herrn Jamli keinerlei schriftliche Aufforderung zur
Schließung möglicher rechtswidriger Inhalte im Web gegeben hat, schlägt ihm jetzt mit
gleich mehreren Hochschullehrern vor, sich schriftlich zu entschuldigen und damit eine Art
Schuldeingeständnis zu unterschreiben. Wozu? Das Ordnungsverfahren der TU ist
eingeleitet, das staatlich Ermittlungsverfahren auch, was bezweckt die Universität mit so
einem Vorschlag? Wenn Herr Jamli derart im Unrecht ist, wie die Universität das
behauptet, dann werden die angegriffenen Personen das beeiden und es wird bewiesen werden,
dass die Universität korrekt gehandelt hat. Wem also soll so ein Papier nützen? Und
obwohl Herrn Jamli seine Zugangsberechtigung zum Web genommen wurde, sind seine Webinhalte
inzwischen wieder im Web von der TU veröffentlicht worden, ohne daß Herr Jamli seine
seiten korrigieren kann. Wem möchte die TU mit so einem Verhalten dienen? |
Die weiteren Merkwürdigkeiten des Verhaltens des Rektors der TU Chemnitz auf Anfragen
und Vermittlungsversuche, sowie das nunmehr eingeleitete Ordnungsverfahren haben den
Muslim-Markt dazu bewegt, eine mögliche Erklärung für dieses kaum nachvollziehbare
Verhalten der Leitung der TU Chemnitz zu suchen. Durch mehrere weitere Kontakte mit
einigen anderen Hochschullehrern der TU hat der Muslim-Markt zumindest den Eindruck
gewonnen, dass es an der TU Chemnitz keine offene Ausländerfeindlichkeit gibt, und aus
berechtigten Eigeninteressen der Universität eher für ausländische Studenten geworben
werden sollte. Daher ist dieser sonst für Ostdeutschland übliche und zumeist
bedauerlicherweise berechtigte Vorwurf zumindest für die Universität nicht hinreichend
erklärend, selbst wenn er für die andren beteiligten Behörden gelten mag. Aber was
könnte sonst diese feindselige Haltung der Universitätsleitung auch uns gegenüber
begründen? Einen denkbaren Anhaltspunkt dazu könnte möglicherweise eine weitere Pressemitteilung
der TU Chemnitz bieten, die zwar vor der Amtszeit des derzeitigen Rektors stammt, aber
wiederum schwer nachvollziehbar ist und zumindest Rückschlüsse auf die Leitung der TU
zuläßt, in der der jetzige Rektor auch vorher schon mitgearbeitet hat: In einer
Pressemitteilung vom 24.02.1999 mit dem Titel "Neuer Brückenschlag von Sachsen nach
Israel?", wird in aller Offenheit und Deutlichkeit Werbung für den Industriepark
Tefen in Israel betrieben. Unabhängig davon, dass es unseres Erachtens einen schweren
Missbrauch der Pressetätigkeit einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts darstellt,
für eine rein privatwirtschaftliche Unternehmung derart massiv Werbung mit öffentlichen
Geldern zu betreiben, ist der genannte Fall besonders gravierend. Denn der Industriepark
Tefen stellt modernste Technologien her und hat nach eigenem Bekunden (siehe ihre
Webseite) die israelische Polizei als einen Hauptkunden. Genau diese Polizei setzt derzeit
in Ostjerusalem israelisches Recht durch und wurde erst vor wenigen Wochen für dieses
Verhalten von der Völkergemeinschaft bei nur einer Gegenstimme (Israel selbst) massiv
verurteilt (einschließlich deutscher Stimmen). Nun könnte man - unabhängig von der
unseres Erachtens nach unzulässigen Werbung - zumindest annehmen, dass die TU Chemnitz
und die Pressestelle von all diesen Zusammenhängen nichts wußte. Aber auch diese
Rechtfertigung wäre kaum haltbar, denn der Artikel der Pressemitteilung weist eine
zweifelsohne deutliche Ähnlichkeit mit einer Webseite der Jüdischen Rundschau
(http://www.hagalil.com/schweiz/rundschau/inhalt/wertheimer.htm) mit dem
Titel: "TEFEN/INDUSTRIE - Stef Wertheimer initiiert die dritte Phase des
Zionismus" auf. Und der Zionismus wurde selbst von der UN einmal als rassistische
Ideologie gebrandmarkt. Eine Universität, deren Leitung nicht nur offen Werbung für eine
privatwirtschaftliche Unternehmung in Israel macht, die Völkerrechtsverbrechen
unterstützt, sondern zudem scheinbar auch indirekt und versteckt eine rassistische
Ideologie zu stützen sucht, kann möglicherweise die Webseiten einer Person nicht dulden,
der u.a. auch versucht, die Verbrechen Israels aufzuzeigen, selbst wenn ihm das aufgrund
seiner sprachlichen Schwächen nicht gut gelingen kann. Ein mutmaßliches Fehlverhalten
dieses Studenten in einem ganz anderen Bereich, könnte dann bequem zu den in der Härte
kaum noch nachvollziehbaren Maßnahmen gegen diesen Studenten führen. Wir wissen selbst,
dass dieses Konstrukt lediglich ein sehr abenteuerlich anmutender Erklärungsversuch ist,
um die oben aufgelisteten "Merkwürdigkeiten" zu verstehen. Aber eine bessere
Erklärung haben wir für das bisherige Verhalten der Universitätsleitung nicht finden
können, die sich bis zum heutigen Tag nicht im geringsten kooperativ gezeigt hat. So sehr wir uns auch von möglichen Straftaten Herr Jamlis distanzieren, so sehr
verurteilen wir auch, wenn ein machtvolle Institution im deutschen Rechtsstaat, seine
Machtposition mißbraucht. Der derzeitige Rektor der TU Chemnitz Prof. Grünthal schrieb selbst in seiner Rezension
zu dem Buch "Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern - Das Schicksal der Karlsruher
Juden im Dritten Reich" folgende Aussage: "Hier wie auch sonst ist es die Nähe
zu den Quellen, die die Nähe zu den Ereignissen erzwingt, die nicht nur den
"Nebelschleier" aufreißt, sondern die keinem mehr, der sich einmal auf die
Lektüre eingelassen hat, das "Wegsehen" erlaubt." Daher bitten wir höflichst um Verständnis, dass wir auch weiterhin nicht wegsehen
werden. Auch wir sind inzwischen der Ansicht, dass das öffentliche Ansehen der TU
Chemnitz in Gefahr ist. Aber durch die Fakten wird - so Gott will - bewiesen werden, wer
diesem Ansehen mehr geschadet hat.
Wir haben nach mehreren nichtöffentlichen und begrenzt öffentlichen Versuchen nunmehr
keine weitere Möglichkeit gesehen als den Weg in die gesamte Öffentlichkeit. Dennoch
verbinden wir unsere Mitteilung immer noch mit der Hoffnung, dass es genügend
vernunftsorientierte Mitarbeiter der Technischen Universität Chemnitz gibt, die eine
faire Lösung erarbeiten werden. Es ist unser tiefster Wunsch, diesen Fall mit der
Mitteilung über eine geeignete Lösung des Falls an unsere Leser abschließen zu können,
aber wir werden den Fall so lange begleiten, solange dieses aus Gerechtigkeitsgründen
geboten ist. Mit freundlichen Grüßen Dr. Yavuz Özoguz
(Webmaster Muslim-Markt) Schilfweg 53
27751 Delmenhorst
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