Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Jost Reinert
 

Muslim-Markt interviewt 
Jost Reinert, Kurator des Rheingold-Projektes 

27.11.2005

Jost Reinert (Jahrgang 1961) hat nach dem Besuch  eines altsprachlichen Gymnasiums an der University of Colorado und der FU Berlin Literatur studiert. Er ist tätig als Kurator verschiedener Ausstellungen (Kulturhuset Stockholm, Ahnentempel des Kaisers von China, National Museum, Osaka u.a.) und Mitinitiator des Rheingold-Projekts. Jost Reinert ist ledig und lebt in St. Avold, Lothringen.

 

MM: Sehr geehrter Herr Reinert. Die Initiatoren von alternativen Geld- bzw. Zahlungsmittel gehen davon aus, dass das bestehende Weltwirtschaftssystem schon bald zusammenbrechen wird. Was macht Sie da so sicher?

Reinert: Da ich kein Hellseher bin, ist "bald" ein dehnbarer Begriff. Diejenigen, die um die Verfasstheit unseres Geldsystems bemüht sind wie die FED, die Weltbank, der internationale Währungsfond und andere miteinander personell verflochtene Institutionen bemühten sich bislang, den Crash mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verzögern. Wirtschaftswissenschaftler sind sich jedoch einig, dass unsere Wirtschaftssysteme in Abständen von 60 bis 100 Jahren immer zusammengebrochen sind. Die Zusammenbrüche sind eine historische Tatsache, nur um deren Ursachen wird fleißig gestritten.

Die Erscheinungen unserer heutigen Zeit, wie sinkende Kaufkraft der Arbeitenden (bei gleichzeitiger explosionsartiger Vermögensvermehrung der Besitzenden), Hartz IV, die finanziell begründeten Unruhen in Frankreich, eine Staatsverschuldung aller Staaten, die systembedingt niemand in den Griff bekommen werden wird, sind allerdings ernsthafte Anzeichen, dass unser Geldsystem wieder einmal seine letzte Runde einläutet.

Die durchsichtigen Versuche, bestimmte Minderheiten in unserer Bevölkerung wieder einmal für systembedingte finanzielle Miseren verantwortlich zu machen, werden diesmal hoffentlich nicht fruchten.

MM: Könnte es nicht sein, dass das Währungssystem immer wieder zu lokalen Krisen und Kriegen führt, aber letztendlich bestehen bleibt? Sind die Kräfte hinter dem bestehenden System denn nicht stärker, als die Kräfte, die nach alternativen Systemen rufen?

Reinert: Gott hat uns mit einem freien Willen ausgestattet. Es ist also an uns, welche Kräfte wir durch unser Handeln (oder durch unser Nicht-Wissen-Wollen) stärken. Und das bedeutet, dass wir durchaus in der Lage sind, nach einer Krise, Crash oder Krieg erneut das alte Geldsystem zu etablieren. Vielleicht heißt es dann Gold-Euro, Terra oder Globo. Ich persönlich bin da aber optimistisch, dass unser herrschendes Geldsystem diesmal durchschaut werden wird. Selbst die seriöse, ehrwürdige Wochenzeitung DIE ZEIT hat unser altes Geld als Kettenbrief erkannt. (http://www.artfond.de/kettenbrief.htm)

MM: Nun gibt es ja bereits an einigen Orten so genannte Regionalgelder. Worin unterschiedet sich das von Ihnen mit initiierte Rheingold-System von den anderen Systemen?

Reinert: Die inzwischen auf über 70 angewachsenen Regionalgeld-Initiativen zeigen, dass viele Menschen unzufrieden mit dem alten Euro sind und Lösungen suchen und finden.

Rheingold ist wie die Hansemark in Hamburg, der Justus in Giessen und der Stollberger in Chemnitz ein Medium, mit dem man kaufen und verkaufen kann. Das besondere am Rheingold ist die Tatsache, dass wir konkurrenzlos preiswert sind für diejenigen, die Rheingold verwenden. Denn wir kosten keinen einzigen Euro und schonen so den Geldbeutel der Gewerbetreibenden.

Wir sind außerdem ohne alle Risiken. Wir statten die Leistungsträger mit ausreichend Rheingold aus. Jeder Händler, Produzent und Freiberufler kann sich mit Rheingold ausstatten lassen. Denn sie sind von Anfang an dessen Rheingold, gedeckt durch die Leistungskraft des einzelnen Rheingolder. Wir sind ein Leistungsgold. Mit diesen Rheingold geht der Rheingolder einkaufen und kann sich sicher sein, dass diese Rheingold bald wieder zurückkommen, um bei ihm etwas einzukaufen. So kurbelt man die Wirtschaft an und schafft Wohlstand. Wer sich also für steigende Umsätze und Wohlstand für sich und seinen Betrieb interessiert, wird rheingoldschlau Rheingold zumindest unverbindlich ausprobieren.

Denn Rheingold macht Spaß und ist einen Versuch wert.

MM: Nun, die Behauptung, dass Sie "keinen einzigen EURO kosten" ist zumindest eine Interpretationsfrage, denn schließlich wollen Sie nach unsern Informationen ca. 10% der ausgegebenen Rheingölder in der Hand des Herausgebers bzw. Druckers sammeln. Führt das nicht bereits zu Anfang zu einer sehr hohen Konzentration von Kapital in der Hand weniger?

Reinert: Wir kosten tatsächlich keinen Euro, da wir lieber in Rheingold abrechnen. Rheingold ist kein Kapital, das sich konzentriert und gesammelt wird. Wir haben einen mutigen Drucker, der an Rheingold glaubt. Dieser erhält jetzt schöne Rheingold statt doofer Euros für seine Leistung. Und was macht der Drucker? Er wird seine eingenommenen Rheingold direkt ausgeben.

Der Papiergroßhändler in Schweden wird Rheingold leider noch nicht akzeptieren, seinen Strom kann er auch nicht in Rheingold bezahlen, wenn sein örtlicher und ehemals kommunaler Stromkonzern nun einem Hedgefond wie Cerberus, Luzifer oder Blackstone mit Steuersitz auf den Cayman-Inseln gehört. Also wird er vielleicht eine Anzeige im Muslim-Markt schalten oder im libanesischen Restaurant mit seiner Frau großzügig essen gehen. Die Rheingolds können sich konstruktionsbedingt nicht konzentrieren, sondern füllen stattdessen die Auftragsbücher der Rheingolder.

MM: Rheingold ist ja - wenn wir es richtig verstehen - eigentlich eine Art genormter Schuldschein mit Verfallsdatum, wozu das Verfallsdatum und was macht jemand, der ein Rheingold erhält, welcher kurz vor dem Verfall ist? Stellt das nicht eine Konstruktionsschwäche des Systems dar, wenn ein Rheingold mit dem gleichen Nennwert dennoch unterschiedlich "wert" sind, weil der eine länger gültig ist? Sie kaufen doch auch lieber die Milch mit dem späteren Verfallsdatum.

Reinert: Mit Verlaub: nicht richtig. Er ist kein Schuldschein, sondern ein Gutschein, er ist kein Rheingold mit einem Verfallsdatum, sondern mit einem Ausgabeanreiz. Rheingold verliert zwar irgendwann seine Gültigkeit, nicht jedoch seinen Wert.

Klar, kauft jeder lieber die Milch mit längerer Haltbarkeit. Und das hat bislang jeder Kaufmann überlebt. Mit anderen Worten: Das Beispiel der Milch ist gut gewählt. Unser Ausgabeanreiz geht wie bei der Milch im Rauschen des Kaufens und Verkaufens unter.

MM: Heißt das, dass Leute, die mehr Leistung in das System hineintragen als herausziehen wollen (also die Leistungsträger) hier falsch sind, da sie ja nichts sparen können?

Reinert: Rheingold ist in der Tat kein Gold, mit dem man spart, denn sparen bedeutet immer, Kaufkraft dem Markt zu entziehen. Und klar doch, kann man auch mit Rheingold sparen, jedoch nur kaufkrafterhaltend. Zum Beispiel, indem man wertbeständige Sachwerte mit Rheingold kauft oder indem man sein Rheingold verleiht. Dann bleibt die Kaufkraft dem Markt erhalten. Das kann man privat tun oder institutionell. Banken werden gerne Rheingold verleihen, weil sie damit verdienen können.

MM: Wer garantiert eigentlich dafür, dass ich mein Rheingold irgendwo einlösen kann und an wen wende ich mich, wenn ich niemanden finde, der mir mein Rheingold als Zahlungsmittel akzeptiert?

Reinert: Wir Rheingolder garantieren alle dafür. Jeder, der Rheingold-Gutscheine in die Welt setzt, freut sich darüber, dass jemand vorbeikommt und ihm Rheingold-Aufträge gibt. Denn das lässt die Kasse klingeln. Auch der Muslim-Markt, falls er z.B. Muslim-Markt-Rheingold-Gutscheine herausgibt, freut sich, wenn diese (und andere) Rheingold-Scheine wieder den Weg zu ihm zurückfinden und die Auftragsbücher füllen. So geht es ja jedem der Rheingolder.

MM: Wenn alle gleichermaßen verantwortlich sind, besteht dann nicht die Gefahr, dass niemand zuständig ist?

Reinert: Vor dieser Gefahr ist Rheingold geschützt. Denn Rheingold verwaltet sich selbst. Selbstorganisierende Systeme sind in der Natur wesentlich störunanfälliger als Systeme, die von oben dekrediert werden. Das finden beispielsweise Neurobiologen heraus, die über Rheingold geschrieben haben, siehe http://www.artfond.de/heise.htm .

MM: Wer garantiert, dass es zu keinem Missbrauch kommt, z.B. dass niemand von sich aus "Falschgeld" in Umlauf bringt? Beim "echten" Geld ist der Nachdruck eine schwere Straftat mit Gefängnisstrafe, wie aber wäre es bei Rheingold?

Reinert: Rheingold zu fälschen ist auch strafbar. Und glücklicherweise sind die Geldfälscher nicht auf den Kopf gefallen. Die sind nämlich auch schlau. Sie werden also lieber US-Dollar oder Euros fälschen, die sie überall absetzen können, in der Ukraine oder der Südspitze Portugals.

Außerdem sind unsere Rheingold-Gutscheine anders als das alte Eurogeld wesentlich schwerer zu fälschen. Jeder Rheingold-Schein hat ein individuelles Ablaufdatum, eine individuelle Rückseite und einen individuellen Emittenten. Euros hingegen sehen alle gleich aus.

MM: Und wer verwaltet das alles, und was bekommt er für diese Verwaltung?

Reinert: Die Verwaltung ist ja, Gott sei Dank, sehr einfach und wird durch die Einnahmen aus dem Ausgabeanreiz bestritten. Ehrenamtliches Engagement ist bei den Organisatoren anfangs nötig. Ziel ist, dass sich Rheingold mit schlanker Verwaltung einmal selber tragen wird.

MM: Reicht für solch ein umfangreiches und weitreichendes und zudem überregionales System, dass immerhin unser Geldsystem ersetzen will, die Initiative einiger weniger?

Reinert: Wir sind nicht einige wenige, sondern bereits viele. Und alle Rheingolder werden im ureigensten Selbstinteresse bestrebt sein, andere dafür zu gewinnen, die eigenen wertvollen und leistungsgedeckten Rheingold zu akzeptieren. Denn eine Teilhabe am Rheingold bringt ja nur Vorteile. Und wir wollen den Euro nicht ersetzen. Es ist zwar eine allgemein bekannte Tatsache, dass den Euro niemand lieb hat, oft wird er als Teuro geschmäht. Wir hingegen wünschen dem alten Euro für sein Fortkommen alles erdenklich Gute und verwenden Rheingold.

MM: Haben Sie auch entschiedene Gegner Ihres Projektes?

Reinert: Witzigerweise manchmal verschulte Volkswirtschaftler und ausgebildete Betriebswirtschaftler. Die hängen so an den alten Ideologien, dass in deren Hirn kein Platz ist für neue Ideen, die Probleme lösen. Das ist schon schade, aber nicht mehr relevant, wenn Rheingold in der Praxis verwendet wird. Mit Vergnügen werde ich persönlich einen diplomierten Betriebswirt dabei begleiten, wie er mit seinen Rheingold ein leckeres Eis einkaufen geht und sinnlich erlebt, wie schön Rheingold schmecken kann.

MM: Wann soll das Projekt denn starten?

Reinert: Rheingold startet Anfang 2006 durch. Über unsere Webseite wird der genaue Termin noch bekannt gegeben. Wer die Vorteile des Rheingolds nutzen möchte, wird einfach beim Rheingold anrufen (01577 6307613).

MM: Herr Reinert, wir danken für das Interview.

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