Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Klaus Günter Annen
 

Muslim-Markt interviewt
Klaus Günter Annen - Vorsitzender der "Initiative Nie Wieder! e.V."

14.7.2006

Klaus Günter Annen, Jahrgang 1951,ist gelernter Industriekaufmann. Seit über 15 Jahren setzt er sich zum Schutz des Lebens und der Menschenwürde ein und leitet die "Initiative Nie Wieder! e.V." in Weinheim. Annen ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in der Nähe von Weinheim.

MM: Sehr geehrter Herr Annen. Sie leiten die "Initiative Nie Wieder! e.V.". Was hat Sie zu solch einem Engagement geführt? Was war der Auslöser?

Annen: Ende der Achtziger Jahre kam eine Zeit, in der ich mehr und mehr über den Sinn des Lebens nachdachte. Ich lebte damals auch so wie die Mehrheit der Bevölkerung und war nur auf dem Papier Christ. Damals wurde mir klar, dass man Gottes Gebote einzuhalten hat. Und was sah ich: Auch „Vorzeigechristen“ pervertierten die Gebote Gottes oder versuchten, ihr Fehlverhalten zu rechtfertigen. Ich möchte hier nur sehr schwerwiegende Bereiche nennen: Scham- und Zügellosigkeit, Sex bereits vor der Ehe, Abtreibungsmord, Homosexualität, Euthanasie. Nächstenliebe klingt in vielen Ohren wie ein Fremdwort. Damals kam ich mit einer Lebensrechtsorganisation in Kontakt, in der ich 15 Jahre arbeitete. Nachdem sich die Wege getrennt hatten, gründete ich den Verein „Initiative Nie Wieder!“ e.V.

MM: Worin bestehen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in der "Initiative Nie Wieder! e.V." und wie wird das finanziert?

Annen: Den Schwerpunkt meiner Arbeit sehe ich in der Öffentlichkeitsarbeit, d.h. das Durchführen von Infoständen und sonstigen Aktionen. Ich möchte die „heißen Themen“ in die Öffentlichkeit bringen und die Leute für die Lebensrechtsarbeit gewinnen. Außerdem möchte ich verstärkt den Kampf gegen die Pornographie und den Menschenhandel aufnehmen. Was die Finanzierung meiner „Initiative Nie Wieder“ angeht, bin ich ausschließlich auf Spenden angewiesen.

MM: Im Frühjahr 2006 sind Sie vom Bundesverfassungsgericht „wegen Beleidigung“ verurteilt worden, weil sie einen namentlich genannten Arzt, der Abtreibungen durchführt, mit dem Begriff „Babycaust“ in Verbindung gebracht haben. Warum haben Sie das getan, angesichts der Tatsache, dass es Tausende solcher Ärzte gibt?

Annen: Zunächst müssen Sie wissen, dass dieser Vorfall auf das Jahr 1997 zurückgeht. Wir führten damals Mahnwachen vor Krankenhäusern und Arztpraxen durch, in denen ungeborene Kinder ermordet wurden: Zwei namentlich genannte Ärzte, einer in Stuttgart und München und der andere in Nürnberg haben reine „Tötungspraxen“. Wenn einer davon 1991 von 40.000 Embryonen (ungeborenen Kindern) sprach, die er bis dahin „abgetrieben“ hatte und der andere mit jährlich 3.000 - 4.000 „abgetriebenen“ Embryonen prahlte, lag da nicht das Wort „Embryo-caust“ oder „Baby-caust“ nahe, um auf dieses niederträchtige, massenhafte Verbrechen hinzuweisen? Seitdem habe ich leider nur vor einigen wenigen Arztpraxen demonstrieren und den Arzt namentlich nennen können, um auf das Verbrechen der Neuzeit hinzuweisen. Ich würde mir wünschen, dass vor jedem Abtreibungsarzt Mahnwachen für die ungeborenen Kinder stattfinden. Leider fehlen dazu die Leute. Aber vielleicht darf ich noch erleben, dass die Menschen aufwachen und eine Änderung im Sinne einer Kultur des Lebens stattfindet.

Übrigens: Es ist wichtig, „Ross und Reiter“ zu nennen, wie Kardinal Graf von Galen ("der Löwe von Münster") es mal sagte. Nach dem Zusammenbruch des 3. Reiches wollte keiner von den Verbrechen gewusst und keiner dabei mitgemacht haben. Ich nenne die Namen und Orte, wo der „neue Holocaust“ stattfindet. Die Geschichtsschreiber sollen es einmal einfacher haben.

MM: So grausam die Abtreibung ist, was bezwecken Sie mit der Namensgebung, die einen Vergleich mit dem Holocaust darstellt?

Annen: Unter dem Begriff "Holocaust" werden die damaligen Verbrechen des Hitler-Regimes verstanden. Damals wurden Millionen von Menschen ermordet: Alte, Kranke, Behinderte, Sintis, Romas, Andersdenkende, Priester, kath. und evang. Christen und zum Großteil Juden. Alle sind sich einig, dass das ein großes Verbrechen war. Denn jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Der Holocaust ist Vergangenheit und Teil deutscher Geschichte. Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, aber die Gegenwart. Deshalb ist eine Vergangenheitsbewältigung wichtig, um daraus zu lernen.

Aber was geschieht in Deutschland? Lt. offizieller Statistik leisten wir uns im "demokratischen" Deutschland" die Ermordung von ca. 150.000 ungeborenen Menschen (Dunkelziffer 3 mal so hoch), die auch ein Recht auf Leben haben. Und kein Mensch hat das Recht, diesen ungeborenen unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen. Seit Ende des 2. Weltkrieges haben wir alleine in Deutschland die Ermordung von mindestens 9 Millionen ungeborener Menschen zu verantworten. Weltweit werden jährlich ca. 60-80 Millionen ungeborene Menschen ermordet. Angesichts solcher Zahlen kann man sich schon die Frage stellen: Was war da der Holocaust?

Der "Babycaust" ist viel schlimmer und heimtückischer, weil es diesmal die wehrlosesten und unschuldigsten Menschen trifft, die ungeborenen Kinder! Wir sprechen von einem christlichen Deutschland, einer christlichen Regierung oder von christlichen Staaten, die heute noch viel schlimmer als Hitler sind! Wir haben aus unserer Geschichte nichts gelernt. Die Ermordung der ungeborenen Menschen ist die größte Beleidigung Gottes. Gott allein ist Herr über Leben und Tod ist. Die Länder, die dieses Verbrechen des "Babycaust" verantworten, werden sich der gerechten Strafe Gottes nicht entziehen können.

MM: Deutschland stellt staatlicherseits aber nicht den Anspruch "christlich" zu sein. Und das Bekenntnis zu Gott wird aus dem Staatswesen verdrängt und ist wohl auch in der Gesellschaft rückläufig. Wie wollen Sie die mehrheitliche Gesellschaft erreichen, die eine individuelle Freiheit höher wertet als das Leben des ungeborenen Lebens, wenn Sie Ihre Argumentation hauptsächlich auf Gott und nicht dem Grundgesetz aufbauen?

Annen: Sie haben recht! Dass Deutschland ein christliche Land war und Politik und Gesellschaft sich an den Geboten Gottes ausrichteten, gehört längst der Vergangenheit an. Daran ändert auch nichts, dass wir eine „christliche“ Partei an der Regierungsspitze haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Politiker, nachdem sie in entsprechende Positionen in der Politik aufgestiegen waren, viele ihrer wichtigen Grundsätze aufgegeben haben. Man wollte das beruflich Erreichte nicht verlieren, aber hat damit die „Sache Gottes“ verraten. Wenn es keine politischen Größen gibt, die ein Vorbild für unsere Jugend sind, dann geht es in der Gesellschaft bergab und eine Veränderung zu erreichen ist fast aussichtslos!

Es wird behauptet, alles „Gute kommt aus Amerika“. Die Befürworter der Abtreibung in Amerika wussten mit Sicherheit, warum sie auf ihre Fahnen „Pro Choice“ (= Selbstentscheidung), schrieben. Das heißt, die individuelle Entscheidung des Einzelnen, auch über das Leben eines anderen (z.B. eines ungeborenen Kindes), wurde gefordert und schließlich durchgesetzt. Und das Schlagwort „Selbstentscheidung“ finden Sie in vielen Bereichen unseres Lebens. Ein Chaos steht vor der Tür, wenn die „Selbstentscheidung“ (über was auch immer) zum „Maßstab aller Dinge“ geworden ist.

Die meisten Staaten halten sich in ihrer Ausrichtung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens teilweise noch an das von Gott gegebene Naturgesetz. Die Gebote Gottes waren den meisten Staaten dieser Erde Vorgabe für ihre Verfassung bzw. Gesetzgebung. Dies muss man den Menschen wieder ins Bewusstsein bringen. „Ein Gesetz, das sich nicht an den Geboten Gottes orientiert, kann niemals die Würde des Rechts erreichen, weil es keine Gerechtigkeit bewirkt.

MM: Erlauben Sie uns noch eine Nachfrage dazu. Der Holocaust war die systematische Vernichtung von Menschen von oben angeordnet. Die Ausführenden waren - wenn auch mitverantwortliche - Vollstrecker. Bei der Abtreibung gibt es ja keinen Befehl von oben sondern es ist jeweils eine Individuelle Entscheidung der einzelnen Mutter, selbst wenn es Millionenfach erfolgt. Und die ausführenden Ärzte sind ja nicht die Befehlsgeber sondern "lediglich" diejenigen, die sich damit etwas dazu verdienen, so mörderisch deren Tat aus einer gottesehrfürchtigen Sicht aus ist. Wäre es im Sinn des Kampfes zum Schutz des Lebens nicht besser, man würde diesen Massenmord am ungeborenen Leben nicht vermengen mit dem Holocaust, weil hier auch missverständliche Verbindungen hergestellt werden können?

Annen: Das ungeborene Kind möchte nur eins: leben! Das ungeborene Kind möchte die gleichen Chancen und Rechte zum Leben haben, wie Milliarden Menschen vor ihm. Den Todeskampf, die Angst - und Todesschreie wird niemand, auch nicht die eigene Mutter hören.

Die Hintergründe seines eigenen Todes wird das Kind nie erfahren. Es zählt nicht das „Warum“ (Warum wurde es getötet?) oder das „Wie“ (Mit welcher Methode?) sondern alleine die Tatsache, dass es getötet wurde.

Ermordet werden die ungeborenen Kinder in Deutschland:

  1. Nach Vorgabe des Gesetzes: rechtswidrig, aber straffrei!
  2. Der Staat sorgt für ausreichende Bereitstellung der Tötungsstätten!
  3. Der Staat bezahlt über 90 % der Tötungen!
  4. Die Tötungen sind vorerst noch auf die Gruppe der ungeborenen Kinder beschränkt.

Wenn ich den Leuten die Verbrechen vom Holocaust vor Augen führe und auf die Verbrechen unserer Tage hinweise, werden sie es einfacher verstehen können. Damals: ein Verbrechen. Heute: auch ein Verbrechen.

Aber:
„Damals“ kann ich nichts mehr ändern.
„Heute“ kann ich noch etwas verändern.
Und das müssen die Menschen begreifen!

MM: Aus Ihren Publikationen ist zu erkennen, das Ihr Engagement aus einer Gottesehrfurcht mit christlichem Hintergrund geprägt ist. In wie weit wird Ihre Initiative von den Kirchen unterstützt?

Annen: Leider muss ich sagen, dass die Kirchen die Lebensrechtsgruppen in Deutschland wenig oder gar nicht unterstützen. Die Kirchen scheuen die harte Auseinandersetzung, obwohl es um ein zentrales Anliegen geht. Sobald es um klare Bekenntnisse in der Öffentlichkeit geht, ist der Rückzug bereits vorprogrammiert. Aber gerade von den Bischöfen und Priestern, also den offiziellen Vertretern beider großen christlichen Bekenntnisse müsste man klare Worte hören. Man will offensichtlich einen bequemen „Schmusekurs in Sachen Glauben“ fahren und dabei sind die „Hardliner“ Störenfriede. Ich dachte immer, auch die Kirchen hätten aus Auschwitz etwas gelernt, aber scheinbar ist es nicht so. Es ist sonst nicht erklärbar, dass kaum Widerstand gegen ein menschenverachtendes und gottloses Gesetz geleistet wird. Und die Regelung des § 218 StGB ist gottlos!

MM: Wenn wir als juristische Laien das deutsche Gesetz diesbezüglich halbwegs verstanden haben, dann ist Abtreibung in Deutschland zwar rechtswidrig aber erlaubt. Können sie uns das so erklären, dass ein Nichtjurist das verstehen kann?

Annen: Unter den deutschen Juristen gibt es seltsame Rechtsauffassungen: Die Volksvertreter beschließen im Bundestag das Gesetz „Fristenlösung“ = Abtreibung innerhalb einer Frist von 12 Wochen ist erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht prüfte das Gesetz über die „Fristenlösung“ auf seine „Verfassungsmäßigkeit“ und verkündete: Die Abtreibung ist rechtswidrig. Ein „rechtswidriges“ Gesetz aber ist nichtig und darf daher in einem Rechtsstaat nicht angewendet werden. Im Grundgesetz, Art 1. heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“.

Das Bundesverfassungsgericht verkündet: „Jede Abtreibung ist rechtswidrig" „….Der Schutzauftrag verpflichtet den Staat schließlich auch, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben. Deshalb müssen Organe des Staates in Bund und Ländern erkennbar für den Schutz eintreten …“ Diese starken Worte haben leider in der Bundesrepublik kaum Realität.

Und schauen Sie sich den § 218 StGB an: Hier wird Straffreiheit nach der Ermordung eines ungeborenen Menschen per Gesetz zugesichert. Ein solches Gesetz hatten wir nicht einmal im 3. Reich!

MM: Nun kann es ja sicherlich auch Ihrer Auffassung nach Fälle geben, in denen es für eine Mutter extrem schwer ist, das eigene Kind zu bekommen, sei es, weil ihr eigenes Leben gefährdet ist, oder als Folge einer Vergewaltigung. Was schlagen Sie in solchen Fällen vor?

Annen: Allgemein kann man sagen, dass in der Bundesrepublik großzügig vom Staat, teilweise auch kirchlichen Organisationen Hilfe angeboten wird. Solche Unterstützung finden Sie in keinem anderen Land der Welt und trotzdem ist Deutschland Weltmeister im Abtreiben. Wenn eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens bei der Frau vorliegt - das ist übrigens nach Angaben von Ärzten heutzutage sehr selten der Fall - , dann hat der Arzt zwei Patienten, für deren beider Leben er verantwortlich ist. Er muss dann alles versuchen, um das Leben von beiden zu retten. Der Arzt darf nie direkt den Tod des ungeborenen Kindes herbeiführen. Das heißt: Um das Leben der Mutter z.B. bei Gebärmutterkrebs zu retten, muss er die Gebärmutter entfernen. In der Gebärmutter befindet sich das ungeborene Kind. Dieses wird sterben. Die Absicht des Arztes war nicht, das Kind zu töten, sondern er musste, um wenigstens das Leben der Mutter zu retten, die Gebärmutter entfernen. Das ist ethisch erlaubt und mit Gottes Geboten vereinbar.

Bei der Vergewaltigung sollte man fragen: Was kann das Kind dafür, dass der Vater ein Verbrecher ist? Warum das Kind bestrafen und töten? Nein, das wäre ebenso eine schwere Sünde wie die Vergewaltigung! Das Kind hat bereits eine Würde und ein Recht auf Leben. Wenn Gott zulässt, dass eine Frau ein Kind empfängt, dann hat er auch einen Plan, für das Kind und für die Frau. Wir müssen Gott vertrauen und natürlich der Mutter Hilfe und Unterstützung geben. Sollte die Mutter tatsächlich mit der sicher schwierigen Situation nicht zurechtkommen, so kann sie das Kind zur Adoption freigeben. Gläubige und gottesfürchtige Menschen aber wissen: Wem Gott eine Prüfung und Last auferlegt, den lässt er nicht alleine. Unser Vater im Himmel ist allmächtig und wird helfen!

MM: Können Sie sich vorstellen im Rahmen des Schutzes des Lebens mit Muslimen im konstruktiven Dialog zu kooperieren?

Annen: Ich habe bei meinen Info-Ständen schon immer gute Gespräche mit Muslimen geführt. Auch konnte ich feststellen, dass wir in vielen Punkten übereinstimmten, was Mode, Sexualität, Familie und Abtreibung anbelangt. Natürlich gibt es auch unter den Muslimen Gläubige, Liberale und Ungläubige – aber das ist auch bei Christen zu berücksichtigen.

Mit anderen Worten: Eine Zusammenarbeit mit gläubigen Muslimen kann ich mir gut vorstellen und da habe ich auch keine Berührungsängste.

MM: Herr Annen, wir danken für das Interview.

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