Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Dr. Finkelstein
 

Muslim-Markt interviewt 
Dr. Norman G. Finkelstein, Historiker und Autor des Buches "Die Holocaust-Industrie"
5.4.2006

Norman G. Finkelstein wurde 1953 in Brooklyn, New York geboren als Sohn polnischer Juden, die den Holocaust überlebt haben. Er ist wissenschaftlicher Assistent (Assistant Professor) in Politikwissenschaften an der DePaul Universität in Chikago und lehrt polische Theorien. Er ist bekannt für seine kontroversen Ansichten hinsichtlich des Israelisch-Palästinensischen Konflikts und seine Kritik über den Missbrauch des Holocaust von verschiedenen Parteien und Organisationen.

Seiner Promotion erhielt er 1988 in der politischen Fakultät der Princeton Universität für seine Doktorarbeit über die Theorie des Zionismus. Er ist Autor von fünf Büchern.

Das Interview wurde in englischer Sprache geführt und ins Deutsche übertragen (die englischen Originalantworten sind mit abgedruckt).

MM: Sehr geehrte Herr Dr. Finkelstein, Sie werden als Antizionist vorgestellt. Entspricht das Ihren Vorstellungen?

Finkelstein: Ich stufe mich selbst nicht als Anti-Zionisten ein. Der Zionismus als solches hat kaum eine Bedeutung für mich. Ich bin gegen die Verletzung der Menschenrechte und des internationalen Rechts, unabhängig davon, von wem es erfolgt. Philosophisch bleibe ich eine Person der Linken, der an die Ideale der Solidarität unter Menschen und der Emanzipation des Menschen gebunden ist.
I do not classify myself as an anti-Zionist. Zionism per se means very little to me. I am against violations of human rights and international law, whoever commits them. Philosophically, I remain a person of the Left, committed to the ideals of human solidarity and human emancipation.

MM: Warum legen Sie so großen Wert darauf, dass nicht sechs Millionen Juden im Holocaust ermordet wurden? Was macht es für einen Unterschied, ob es einige Million mehr oder weniger waren?

Finkelstein: Definitiv lege ich keinen (besonderen) Wert darauf, dass sechs Millionen Personen etwas ungenau sein könnten. Ich glaube nicht, dass es moralisch irgend einen Unterschied macht, wenn die Anzahl eigentlich näher an fünf Millionen wäre. Historisch könnte es einen Unterschied machen, aber moralisch macht es keinen.
I definitely do NOT emphasize that the six million figure might be slightly inaccurate. I do not think, morally, it changes anything if the figure is actually closer to five million. Historically it might make a difference, but morally it does not.

MM: Wie Sie wissen, ist das Leugnen oder Relativieren des Holocaust in Deutschland eine Straftat. Wurden Sie für Ihre Veröffentlichungen jemals angezeigt?

Finkelstein: Ich wurde in Frankreich angeklagt, zum Antisemitismus aufgestachelt zu haben, aber, wie jeder weiß, ist die französische Gesellschaft etwas gestört. In jedem Fall sind solche Gesetze verrückt. Die Vereinigten Staaten sind nicht das beste Land der Welt, aber glücklicherweise gibt es hier solche Gesetze nicht. Die Leute sind frei zu sagen, was sie glauben, selbst wenn es verrückt ist. Es ist einem sogar erlaubt zu behaupten, dass Saddam Hussain eine Gefahr für die Welt dargestellt habe. Man wird kaum etwas Verrückteres als dieses finden.
I’ve been charged with inciting anti-Semitism in France but, as everyone knows, French society is slightly insane. In any case, these laws are crazy. The United States is not the greatest country in the world but fortunately no such laws exist here. People are free to say what they believe, however crazy. You’re even allowed to say that Saddam Hussein posed a threat to the world. You can’t get much crazier than that.

MM: Ihre Publikationen beziehen sich ja letztendlich nicht nur auf die Geschichte sondern vielmehr auf die Gegenwart und stehen im direkten Zusammenhang mit dem so genannten "Clash of Cultures". Glauben Sie dass Juden, Christen und Muslime eines Tages in Jerusalem in Frieden zusammen leben können und wie ist Ihre Zukunftsanalyse dazu?

Finkelstein: Wann immer Menschen in eine Gesellschaft eintreten, entstehen Konflikte, selbst wenn es sich um eine Gesellschaft aus nur zwei Personen handelt, die man Ehe nennt. Keine zwei Menschen sind exakt gleich. Menschen müssen es lernen Kompromisse einzugehen, um miteinander leben zu können. Im Prinzip ist das Problem das gleich, wenn Menschen unterschiedlicher Religionen, ethnischer Gruppen, Lebensziele usw. zusammen kommen. Konflikte sind vorprogrammiert, aber in der Regel finden Menschen Wege, um ihre eigene Persönlichkeit zu bewahren und zu entwickeln, während sie die Vorteile des Zusammenlebens erlangen, die zahlreich sind.
Whenever people enter into society conflicts arise. Even if the society is just two people called marriage. No two people are exactly alike; people have to learn to make compromises in order to live with each other. In principle the problem is the same when people of different religions, ethnic groups, life aspirations, etc. join together: Conflicts are bound to arise but generally people figure out ways to preserve and develop their own personalities while deriving the benefits, which are many, from living together.

MM: Sie selbst wohnen in den USA. Erkennen Sie dort nicht eine täglich zunehmenden Hass gegenüber dem Islam und den Muslimen in der Regierung und der Bevölkerung?

Finkelstein: Es ist schlechthin nicht einfach Muslim im Westen zu sein, aber man sollte das Problem in den USA nicht überbewerten. Es scheint viel schlimmer in England oder Frankreich zu sein. Ich habe keine intensive anti-arabische oder anti-muslimische Feindseligkeit in den USA bemerkt, obwohl es sicherlich mehr Vorsicht an Flughäfen usw. gibt.
It’s plainly not easy to be a Muslim in the West, but one shouldn’t exaggerate the problem in the U.S. It seems to be much worse in England and France. I’ve not noticed intense anti-Arab, anti-Muslim animus in the United States, although of course there’s more caution at airports, etc.

MM: Nachdem das einstmals geschürte Feindbild Irak zu einem fürchterlichen Krieg geführt hat, wird jetzt das Feindbild Iran oder z.B. Hamas aufgebaut. Und es scheint wirklich eine Art "Clash" zu geben, allerdings einen "Clash" zwischen Unterdrückern und Unterdrückten. Und die Kultur der Unterdrücker wird zudem getragen von starken wirtschaftlichen Interessen. Sehen die überhaupt einen Ausweg, ais dem Dilemma?

Finkelstein: Die USA fabrizieren den Krieg der Zivilisationen weil sie einen ständigen Bedarf für einen Großen Satan haben, um Intervention, Vorherrschaft und inflationäre Kriegsbudgets zu rechtfertigen. Einstmals war der Kommunismus der Große Satan, dann Drogen-Terroristen, dann Schurkenstaaten, jetzt abtrünnige Staaten. Nichts neues unter der Sonne. Der einzige Weg aus den Dilemma ist es, den wahren Sachverhalt des Spiels aufzuklären und die Lüge aufzudecken.
The U.S. manufactured the War of Civilizations because it’s always in need of a Great Satan to justify intervention, domination and inflated war budgets. Once the Great Satan was Communism, then Narco-terrorists, then Rogue States, now Failed States. Not much new under the sun. The only way out of this dilemma is to clarify the real issues at stake and expose the lies.

MM: Lassen Sie es uns noch konkreter fragen: Können sie als Mitglied der so genannten "Westlichen Welt" verstehen, dass Muslime derzeit eine große Abneigung gegen diese "westliche Welt" empfinden?

Finkelstein: Arabisch-Muslimischer Hass gegen die westliche Welt scheint völlig rational zu sein. Die meisten Menschen verachten diejenigen, die sie unterdrücken. Allerdings sollte daran erinnert werden, dass die korrupten arabischen Regime ebenfalls diesen legitimen Hass nutzen, um die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken. Das Problem ist nicht allein die USA oder das Vereinigte Königreich (England) oder Frankreich sondern auch ihre Handlanger in Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien usw.. Ich glaube, dass die meisten Araber das verstehen.
Arab-Muslim hatred of the Western world seems perfectly rational. Most people loathe those who oppress them. However, it should be remembered that the corrupt Arab regimes also use this legitimate hatred to deflect attention from themselves. The problem is not just in the U.S. or the U.K. or France but their Arab proxies in Saudi Arabia, Egypt, Jordan, etc. as well. I suspect most Arabs understand this.

MM: Zurück zu Ihren Schwerpunkthemen: Können sie sich vorstellen, dass wir eine bessere Welt erlangen können, wenn der Zionismus genauso der Vergangenheit angehört, wie die weiße Vorherrschaft in Südafrika und die Menschen überall in der Welt freier über den Holocaust kontrovers diskutieren können, selbst in Deutschland?

Finkelstein: Das Konzentrieren auf den "Zionismus" lenkt vom eigentlichen Thema ab, dass die Verletzung der Menschenrechte und des internationalen Rechts durch Israel ist. Es gibt keine Kontroverse über den Holocaust der Nazis. Es ist genau so unzweifelhaft wie die Rundheit des Planeten Erde. Diejenigen, die denken, es gäbe eine Kontroverse bezüglich dem Holocaust der Nazis haben die gleiche Mentalität wie diejenigen, die denken, dass die Erde eine Scheibe ist. Wir können eine bessere Welt erreichen, wenn Menschen die Rechte des Anderen respektieren und versuchen sich sachlich durch die Konflikte zu arbeiten, die unvermeidlich auftreten, wenn jegliche zwei Menschen zusammen kommen. Ich bin zuversichtlich, dass mit Klugheit und Mitgefühl die Menschen mit gutem Glauben die meisten Probleme einvernehmlich lösen können.
Focusing on “Zionism” deflects attention from the real issue, which is Israeli violations of human rights and international law. There is no “controversy” about the Nazi holocaust. It’s as uncontroversial as the roundness of the planet Earth. Those who think there is a “controversy” about the Nazi holocaust are of the same mentality as those who think the world is flat. We can achieve a better world when people respect each other’s rights and try to rationally work through the conflicts that inevitably arise when any two people(s) come together. With intelligence and compassion, I’m confident that people of good faith can solve most problems amicably.

MM: Sehr geehrter Herr Dr. Finkelstein, wir danken Ihnen für das Interview?

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