Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Aiman A. Mazyek
 

Muslim-Markt interviewt 
Aiman A. Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland

5.11.2006

Aiman A. Mazyek wurde 1969 in Aachen geboren. Sein Vater ist ein aus Syrien stammender Ingenieur, die Mutter Deutsche (Auslandskorrespondentin). Nach dem Abitur in Deutschland studierte er Philosophie, Ökonomie und Politischen Wissenschaften in Aachen (MA) und absolvierte ein Parallelstudium der Arabistik in Kairo.

Seit 1994 ist er Mitglied der Vollversammlung des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) und seit 1996 Chefredakteur der Internetpräsenz www.islam.de. Von 1998 bis 2000 war Aiman A. Mazyek als Pavillondirektor der Weltausstellung Expo 2000 tätig, wo er den ersten Islampavillon auf einer Expo-Weltausstellung leitete. Von 2001 bis 2004 arbeitete er hauptamtlich als Pressesprecher des Zentralrates der Muslime in Deutschland. Im Frühjahr 2006 wurde Aiman Mazyek im Rahmen der Neuwahlen des Vorstandes dessen Generalsekretär.

Als FDP-Vorsitzende von Alsdorf (Kreis-Aachen) und Kreisvorstandsmitglied in Aachen und Mitglied verschiedener Landesfachausschüsse der FDP im Landtag nimmt er kommunale und regionale Verantwortung war. 2004 war er Bürgermeisterkandidat der Stadt Alsdorf. Gemeinsam mit Dr. Rupert Neudeck gründete er 2003 die Non-Govermental-Organisation GRÜNHELME e.V., für die er den Stellvertretenden Vorsitz übernahm. Mazyek ist Mitglied der Christlich-islamischen Gesellschaft in Köln.

Aiman Mazyek arbeitet als freier Publizist und Medienberater in Aachen und hat drei Kinder, die in Alsdorf bei der Mutter leben.

MM: Sehr geehrter Herr Mazyek. Bitte erläutern Sie unseren Lesern die Aufgaben eines Generalsekretärs des Zentralrats der Muslime in Deutschland?

Mazyek: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist ein ganz normaler Verein nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) mit Vorsitzenden, Stellvertreter und in unserer Satzung ist auch ein Generalsekretär vorgesehen. Die Aufgaben des Generalsekretärs bestehen vor allem in den Aufgaben der Geschäftführung, im Sekretariat und Außendarstellung.

MM: Sie waren bei der Islamkonferenz beim Innenminister Schäuble dabei. Wie ist ihr Eindruck jetzt rückblickend nach einigen Wochen?

Mazyek: Grundsätzlich haben wir begrüßt, dass zum ersten Mal und endlich der Staat mit den Muslimen spricht und nicht über die Muslime, es gibt aber viel Klärungsbedarf, was die Bestückung der Arbeitsgruppen angeht, was die Zusammensetzung des Plenums angeht; es geht um das Thema Islam-Integration in das deutsche Staatswesen, in die deutsche Gesellschaft im größeren Sinn. Und das bedeutet, dass wir nicht eine Diskussionsrunde machen sondern dass wir wirklich Handfest mit Vertretern der Muslime sprechen. Auch der ganze Mittelbau, regionale und auch Landesvertretungen, Zivilorganisationen von Muslimen usw. sind nicht dabei gewesen.

MM: Da wollen wir nachfragen. Wenn die Bundesrepublik Deutschland mit Vertretern der Christen spricht, lädt sie keine Kritiker des Christentum und bei Juden keine Kritiker des Judentums. Wie können Sie es akzeptieren, dass Leute den Islam mitvertreten dürfen, die öffentlich dazu aufrufen, dass Muslimas das Kopftuch abnehmen sollen?

Mazyek: Wir haben kein Problem mit Islamkritikern an einen Tisch zu sitzen, wir machen das auch, wir tauschen uns aus, wir fordern den Disput und die Disputation hat seine guten Seiten für die Muslime. Die Frage ist nur, ob eine Disputation dieser Art bei einer staatlichen Islamkonferenz etwas zu suchen hat. Und da sagen wir eindeutig "nein", weil es nicht darum geht, dass der Staat eine Disputation oder eine Diskussion moderiert, sondern es geht darum, das man eine tragfähige Verhandlungsgrundlage schafft, dass Muslime als Religionsgemeinschaft auf der einen Seite und der Staat auf der anderen Seite ein Konzept entwickeln, wie der Islam in Deutschland integriert wird und als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt werden kann.

MM: Deutsche und deutschsprachige Muslime erhoffen sich andererseits eine leistungsstarke und möglichst einstimmige Vertretung des Islam gegenüber dem Staat. In wie weit sehen auch Sie Hoffnungen auf eine Vereinigung der Verbände in welcher Form auch immer.

Mazyek: Es gibt ganz gute Ansätze, die in der jüngsten Vergangenheit zu verzeichnen sind, dass die großen Dachverbände bzw. Spitzenverbände, namentlich DITIP, Islamrat, Zentralrat, und VIKZ, sich in vielen Dingen absprechen, so auch geschehen vor der Islamkonferenz, wie auch bei der Position, die ich vorher genannt habe, was die Kritik an der Islamkonferenz angeht. Das ist Konsens in den vier Verbänden. Und man geht sogar dahin, dass man in einigen Bundesländern, z.B. in Nordrhein-Westfalen jetzt auch einen Schritt weiter gegangen ist, dass man sich Ansprechpartner generiert, dass man auch dabei ist, eine gemeinsame Geschäftsgrundlage zu bilden. Das sind sehr gute Zeichen und Signale und es sind auch hoffnungsvolle Signale für die Muslime in Deutschland.

MM: Wie sieht es grundsätzlich aus im innerislamischen Dialog? Werden z.B. Diskussionsgruppen deutschsprachiger Sunniten und Schiiten angedacht und denkt der Zentralrat auch einmal daran, diesbezüglich vielleicht ein Großveranstaltung zu planen?

Mazyek: Also es gibt unglaublich viel Anforderungen und Forderungen an die Verbände, und dass die Verbände in vieler Hinsicht noch Nachholbedarf haben steht außer Zweifel, und auch der Staat und die Gesellschaft ist fast täglich dabei zu kommunizieren und zu formulieren, welche Anforderungen und welche Erwartungen man gegenüber den muslimischen Verbänden hat. Die alle zu erfüllen ist gar unmöglich, vor allem auch vor dem Hintergrund, das wir seit 40-50 Jahren alle unsere Tätigkeiten und Aktivitäten, wie Sie wissen, rein aus privater Seite finanzieren. Und auch da muss die Frage gestellt werden - und die ist bisher unbeantwortet geblieben - wie diese ganzen Anforderungen, wie diese ganzen Forderungen und Erwartungen auch materielle ausgestattet bzw. abgefedert werden können.

MM: Sie waren vor einigen Wochen bei Christiansen im ARD. Wie steht es allgemein derzeit im Umgang mit den Medien. Und obwohl es über den Islam ging, mussten sie sich alleine als Vertreter des Islam gleich gegen 6 andere Diskussionsteilnehmer erwehren. Bei einer ähnlichen Konstellation zum Thema Judentum wäre Frau Christiansen anschließend gekündigt worden. Welche Vorschläge haben Sie an ihre Glaubensgeschwister bezüglich der Ungleichbehandlung in den Medien.

Mazyek: Der Hinweis zu den Juden ist spekulativ und und polemisch und ich kann ihn so nicht nachvollziehen. Ich sah mich auch nicht allein in der Runde. Ich fand sie ganz amüsant. Es war ein Kabarettist und eine Juristin da, ich habe die Anderen nicht als Gegner verstanden, es war eben eine "Talkshow", so wie es eben heißt: Eine Rede-Show im deutschen Fernsehen.

MM: Erlauben sie auch einen kritischen Punkt anzusprechen. Eines der ständig wiederholten Vorwürfe der Medien besteht ja darin, dass sich Muslime von so genannten Extremisten distanzieren sollen. Dabei hat sich z.B. der ZMD wohl schon einige hundert Mal von Gewalttätern distanziert. Doch wenn man genau hinhört, will man Muslime offenbar auch dazu bringen, das international verbriefte Widerstandsrecht gegen Besatzung, sei es in Palästina oder im Irak zu verurteilen. Wie geht der Zentralrat mit solch kritischen Fragen um?

Mazyek: Der Zentralrat der Muslime versteht sich als Dachorganisation der Muslime in Deutschland und maßt sich nicht an außenpolitisch irgendwelche Empfehlungen oder Aktivitäten loszutreten.

Im Übrigen sehe ich keinen Zusammenhang zwischen dem verbrieften Widerstandsrecht und der Distanzierung vom Terror. Eher sehe ich großen Nachholbedarf bei der Erkenntnis der Muslimen, dass durch Terror gegen unschuldige Zivilisten und durch dem von Islam verbotenen aber immer noch praktizierenden Selbstmordattentaten tagtäglich die Muslime, oder die, die  sich dafür halten, ihren Widerstandkampf eklatant vor Allah und der Völkergemeinschaft diskreditieren.

Die Frage ist hierbei nicht, ob wir uns hundertfach distanziert habe, sondern die Frage ist, wie nimmt die Gesellschaft das an, das Bekenntnis zum Grundgesetz, das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit, das Bekenntnis zum friedliebenden Islam, den 99,9 % der Muslime wahrnehmen. Ich habe sehr oft den Eindruck, dass man trotz dieser Bekenntnisse den Muslimen nicht glaubt. Man nimmt es ihnen nicht ab. Und sicherlich ist die Generalverdachtsdebatte einer der Gründe, warum man ihnen das nicht abnimmt. Und da müssen gerade Muslime eine Menge mehr tun. Sie können sich nicht einfach in die Ecke stellen und sagen, man glaube ihnen nicht, und man schmollt in die Ecke, sondern man muss aktiv etwas dafür tun. Und ich glaube, viele Muslime verstehen einfach nicht, dass man lokal handeln muss und global denken und nicht umgekehrt, wie es viele machen und dann staunen, wenn sie in Lethargie und Unmut verfallen. Gott hat ganze Menge Hausaufgaben vor Ort gegeben. Wir aber schwänzen die Schule, geschweige denn machen die Hausaufgaben für das große Etwas, was es aber so nur in unseren Träumen gibt .. oder besser gesagt Alpträumen. Unserer Umma besteht heute aus vielen „Hans-Guck–in-die-Luft-Mitgliedern“.

Das Zweite ist, das wir uns wirklich in der Tat auch geistig, intellektuell, akademisch viel mehr, viel stärker mit dem Thema Extremismus und Gewalt latent in der muslimischen Community auseinander setzen müssen. Wir können uns auch nicht einfach so zurücklehnen und sagen: "Damit haben wir kein Problem". In der Tat ist zu verzeichnen, dass Nihilismus, Dekadenz in der muslimischen Geisteswelt auch eingezogen hat. Und da müssen wir gucken, wie gehen wir damit um, wie tauschen wir uns aus, wie können wir uns darüber Erkenntnis verschaffen, dass das eine Entwicklung ist, die gefährlich und nicht in Ordnung ist. Und ich glaube letzteres würde auch Vertrauensbildend für die Mehrheitsgesellschaft dastehen.

MM: Neben Ihrer Tätigkeit als Generalsekretär des ZMD haben sie auch viele andere Aufgaben übernommen. Worin besteht ihre Tätigkeit bei dem Verein GRÜNHELME e.V.

Mazyek: Wir haben dort vor drei Jahren eine bescheidene Organisation mit Rupert Neudeck zusammen gegründet. Wir haben uns gedacht, dass wir den Dialog zwischen Christen und Muslimen insbesondere - aber der Verein ist offen für alle, alle Menschen guten Willens, wie es da heißt - dass wir uns überlegen, wie können wir den Dialog auf praktische Art und Weise führen. Und da haben wir uns eine humanitäre Organisation die gerade Schulen in Krisengebieten wieder aufbaut, mit Muslimen und mit Christen zusammen, überlegt. Und deshalb ist das Kuratorium, der Vorstand aber auch die Teams vor Ort in Sumatra, in Afghanistan und bald auch in Mittelafrika oder auch in Pakistan werkeln und arbeiten sind auch mit Muslimen und Christen bestückt. Und für mich war das einfach eine logische Konsequenz aus den Dialogveranstaltungen und Dialogkreisen, die wir haben, die viel Gutes produzieren aber auch viel Paper produzieren - mir war es ein Herzenswunsch, dass man den Dialog auch praktisch umsetzt.

MM: In diesem Zusammenhang sind sie auch noch Mitglied der Christlich-islamischen Gesellschaft. Haben Sie Verständnis für ihre Glaubensgeschwister, deren Euphorie für den Dialog mit den Kirchen in letzter Zeit etwas abgeklungen ist?

Mazyek: Ja, wer die Statements des Zentralrats verfolgt, der erkennt, das wir uns ähnlich euphorisch bzw. uneuphorisch mehr dazu äußern. Und da kann ich nur verweisen: Versuchen wir den Dialog auf praktischem Boden oder ein praktisches Fundament zu setzen. GRÜNHELME e.V. ist vielleicht ein bescheidenes Pflänzchen. Solche Dinge brauchen wir vielleicht mehr in Zukunft.

MM: Gleichzeitig sind sie in der FDP engagiert und sind auch als Bürgermeisterkandidat angetreten? Wie kam es zu dem Engagement bei der FDP?

Mazyek: Ganz einfach weil ich meine Welt nicht aufteile in eine muslimische und eine nichtmuslimische Welt. Für mich ist alles eine Welt, und wenn ich mich engagiere, gesellschaftlich, politisch, dann gehört es einfach dazu, dass man auch seine Kraft und seine Arbeit auch für das Gemeinwohl einsetzt, und das Gemeinwohl besteht nicht nur aus Moscheestrukturen.

MM: Abschließende Frage: Sie haben drei Kinder, die hier groß werden. Was wünschen Sie sich für sie in Deutschland?

Mazyek: Ich wünsche mir, dass sie von den vielen Zielen, die wir seit Jahren diskutieren, profitieren können. Z.B. diskutieren wir seit 20 Jahren über den islamischen Religionsunterricht. Ich wünsche mir, dass mein Sohn, der jetzt 11 Jahre alt ist, die Möglichkeit erhält islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zu bekommen. Das sind dicke Bretter, die wir zu bohren haben, und vielleicht kann ich eines der durchgebohrten Bretter meinen Kindern überreichen.

MM: Herr Mazyek, wir danken für das Interview.

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