Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Nils von Bergner
 

Muslim-Markt interviewt 
Nils von Bergner, muslimischer Anwalt

7.2.2006

Nils von Bergner (Jahrgang 1970) ist in der Nähe von Hamburg geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg ist er seit April 2001 als Rechtsanwalt tätig. Er ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und hat seinen Tätigkeitsschwerpunkt zudem im Familienrecht. Seit über einem Jahr ist er Muslim und hat den muslimischen Namen Ahmed Isa gewählt.

Von Bergner ist verheiratet und lebt bei Hamburg.

MM: Sehr geehrter Herr von Bergner unsere Leser sind brennend daran interessiert zu erfahren, wie Ihr Weg zum Islam war.

Von Bergner: Insbesondere über türkische Freunde hatte ich schon seit Jahren Kontakt zum Islam. Besondere Anlässe wie beispielsweise die Fastenzeit haben mein Interesse geweckt. Anlässlich eines Moscheebesuchs im Oktober 2004 nahm ich die Biographie "Muhammad" von Martin Lings über das Leben des Propheten (s.) mit nach Hause. Die Lebensgeschichte Mohammeds (s.) hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich begann daraufhin den Koran zu lesen und beschäftigte mich über mehrere Monate intensiv mit dem Islam, insbesondere in Vergleich und Abgrenzung zum Christentum. Letztlich kam ich zu der Überzeugung, mir diese Religion zu Eigen machen zu wollen. Der Entschluss zu konvertieren ist somit über einen längeren Zeitraum in mir herangereift.

MM: Und wie kam es zu dem Namen "Ahmed Isa"?

Von Bergner: Ursprünglich wollte ich nur den Namen Isa wählen, um dadurch meine Liebe und Verbundenheit zu unserem Propheten Jesus (a.) zum Ausdruck zu bringen. Da zur Zeit meiner Namenswahl aber gerade die Mohammed-Karikaturen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, entschied ich mich, mit Ahmed auch ein Synonym für unseren geliebten Propheten Mohammed (s.) hinzuzunehmen.

MM: Hat das nicht zu enormen Verwirrungen in Ihrer Familie geführt? Wie haben das Eltern und Ehepartner aufgenommen?

Von Bergner: Ich habe meinen Entschluss vorher mit meiner Familie besprochen. Meine Frau respektiert und toleriert meine Entscheidung. Meine Eltern haben meinen Entschluss zu konvertieren, wie viele andere Menschen auch, zunächst nicht nachvollziehen können. Nichtsdestoweniger respektieren auch sie meinen Schritt. Ursache für die Skepsis ist sicherlich, dass auch das Islambild meiner Eltern von den üblichen Ressentiments geprägt war. Ich befinde mich nach wie vor im ständigen Dialog mit Ihnen über dieses Thema und bin froh, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Menschen die Bereitschaft zeigen, über Religion und den Islam im Besonderen zu diskutieren.

MM: Gerade als Anwalt ist Ihnen sicherlich mehr als vielen anderen Bürgern bewusst, unter welcher "Anklage" Muslime derzeit stehen. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Von Bergner: Natürlich war ich mir dessen bewusst. Dieser Umstand hat für meine Entscheidung jedoch keinerlei Rolle gespielt. Als gläubiger Mensch bin ich der festen Überzeugung, dass Gott mich zum Islam geführt hat. Allein daran habe ich meine Entscheidung ausgerichtet. Im Übrigen bin ich in einer demokratischen Gesellschaft aufgewachsen, in der die Religionsfreiheit verfassungsrechtlich verbrieft ist. Ich muss meine ganz persönliche Entscheidung daher vor niemandem rechtfertigen. Dass Einzelnen das nicht gefallen mag gehört auch zur Demokratie und ficht mich nicht an.

MM: Konnten sie denn zumindest in Ihrem Familienumfeld und bei Bekannten verdeutlichen, dass Zwangsehe oder Unterdrückung der Frau nichts mit dem Islam zu tun haben?

Von Bergner: Natürlich habe ich mit meinen Verwandten und Freunden auch diese Themen besprochen, die fälschlicherweise immer wieder mit dem Islam in Verbindung gebracht werden. Ich habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es diese Probleme natürlich auch in islamisch geprägten Ländern gibt, dass diese Phänomene aber in der Regel sozial bzw. kulturell bedingt sind. Da die Personen in meinem engsten Umfeld in Bezug auf diese Themen jedoch alle aufgeschlossen sind, musste ich keine große Überzeugungsarbeit leisten. Dagegen musste gerade meine Frau, die für sich in Anspruch nimmt, kein gläubiger Mensch zu sein, den Islam gegenüber Freunden und Kollegen viel häufiger gegen derartige Vorurteile verteidigen.

MM: Nun gibt es in einigen zentralen Themen wie z.B. dem Glauben an den Schöpfergott und der Hoffnung auf das ewige Leben zahlreiche Parallelen zum Christentum. Könnte Ihr Weg nicht auch hilfreich für Christen in Ihrer Familie sein, sich intensiver mit Gott zu beschäftigen?

Von Bergner: Ich kann das nicht ausschließen. Ich komme zwar aus einer Familie, in der Religiosität keine große Rolle spielt. Dennoch habe ich gerade bei meinen Eltern den Eindruck, dass sie sich in den vergangenen Monaten auch persönlich mit ganz grundlegenden Fragen von Glauben und Religion beschäftigt haben.

MM: Wie sind ihre nunmehr einjährigen Erfahrungen mit den Riten im Islam wie z.B. Beten und Fasten in Bezug auf die Arbeitswelt. Können Sie das miteinander vereinbaren?

Von Bergner: Grundsätzlich ja. In aller Regel gelingt es mir die Gebetszeiten einzuhalten. Schwierigkeiten gibt es hin und wieder mit dem Nachmittagsgebet, da der Zeitrahmen doch recht eng ist, und es insoweit gelegentlich zu Terminskollisionen kommt. Auch kann ich leider nicht immer am Freitagsgebet teilnehmen, da es hin und wieder zu Überschneidungen mit Gerichtsterminen kommt. An das Fasten gewöhne ich mich nach einer kurzen Übergangsphase und habe nicht den Eindruck, dadurch wesentlich in meiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein.

MM: Im Zusammenhang mit ihrer nunmehr öffentlich gewordenen Annahme des Islam haben Sie auch die Erfahrung einiger "ungewöhnlicher" Medienberichterstattungen gemacht. Verstehen Sie jetzt die Abneigung Ihrer Glaubensgeschwister gegenüber derartigen Medien besser?

Von Bergner: Mir war bewusst, dass mein öffentliches Bekenntnis zum Islam nicht nur positives Feedback nach sich ziehen würde. Und so habe ich neben "sachlicher" Kritik auch eine Reihe von intoleranten und beleidigenden Reaktionen erfahren müssen. Derartige Äußerungen sind in der Regel jedoch nur Ausdruck der Wut und Ratlosigkeit dieser Personen, die in ihrer ideologischen Beschränktheit keinen Zugang zu so einer Entscheidung finden können. Antrieb für meinen Schritt in die Öffentlichkeit war die Hoffnung, bei der durchweg negativen Berichterstattung über den Islam auch einmal positive oder zumindest erklärende Ansätze präsentieren zu können. Diese Hoffnung hat sich im Großen und Ganzen erfüllt. Natürlich betrachte auch ich mit Sorge, in welcher Weise von Seiten einiger Politiker und Medienvertreter zunehmend eine Stimmung der Verängstigung aufgebaut wird. Derartige Prozesse sind, das hat die deutsche Geschichte hinlänglich bewiesen, überaus gefährlich, wenn sie erst einmal in Gang gesetzt sind. Die Hirngespinste einiger weniger gefährden die Demokratie nicht. Fatal ist jedoch, wenn solche Meinungen durch Medien und Politik salonfähig gemacht werden. Vor diesem Hintergrund sind leider auch die jüngsten Äußerungen des Innenministers Schäuble zu sehen, der das Phänomen der zunehmenden Konvertierungen zum Islam als etwas "Bedrohliches" bezeichnet und in diesem Zusammenhang von der Gefahr des "home-grown-terrorism" spricht. Mit welchem Recht rückt Herr Schäuble tausende von deutschen Staatsbürgern in die Nähe von fanatischen Gewalttätern? Derartige Mechanismen halte ich für in höchstem Maße befremdlich und zudem für Demokratie gefährdend.

MM: Was würden Sie, ausgehend von Ihren Erfahrungen anderer Deutschen, die den Islam annehmen möchten, raten zu beachten, um den Übergang möglichst reibungslos zu gestalten?

Von Bergner: Jeder der sich mit dieser Absicht trägt, sollte sich vorher in ausreichendem Maße informieren und sichergehen, dass er für sich Antworten auf alle ihm wichtigen Fragen findet. Hier kann gegebenenfalls auch der Dialog mit einem islamischen Theologen hilfreich sein.

MM: Herr von Bergner, wir danken für das Interview.

 

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