Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit B. Fuhrmann
 

Muslim-Markt interviewt
Benedikt Fuhrmann - Fotograf und Filmemacher, der im Iran war
23.7.2012

Benedikt Fuhrmann (Jahrgang 1977) hat nach seinem Abitur angefangen als Fotograf und Filmemacher zu arbeiten. Zwei Jahre später machte sich Benedikt Fuhrmann im Bereich Kommunikationsdesign und Fotografie selbständig. Der Erfolg seiner Arbeit wird dokumentiert in Aufträgen von Großkonzernen wie BMW und Siemens, für die er Werbe- und Imagefilme gedreht hat. An manchen Universitäten – darunter die freie Universität Bozen und die GOC in Kairo – wurde er als Gastdozent für audiovisuelles Design engagiert.

2004 initiierte und veranstaltete er in seiner Heimatstadt die 1. Tölzer Filmtage, bei denen er jungen Talenten die Chance gab, sich einem breiteren Publikum vorzustellen. Im Juli 2005 brach er gemeinsam mit seinem Freund Sebastian Linder auf zu einer ungewöhnlichen Reise mit einem alten, zum Wohnmobil umgebauten Kleinwagen in die Islamische Republik Iran. Von Bad Tölz wollten sie der Seidenstraße bis nach Vietnam folgen. Sechs Monate veranschlagten die beiden Freunde für dieses Abenteuer. Für Benedikt Fuhrmann wurden daraus schließlich fast zwei Jahre; ein Jahr davon reiste er durch Iran. Während der Reise trennten sich die beiden Freunde. Sebastian Linder reiste allein bis Vietnam weiter. Benedikt Fuhrmann reiste 70.000 Kilometer kreuz und quer durch den Iran. Während der Reise wuchs in Benedikt Fuhrmann die Idee, eine Foto- und Video-Dokumentation zu erstellen. Finanziert hat er die Reise aus eigener Tasche.

Eine multimediale Ausstellung zu der Reise mit dem Titel "Ein Blick Iran. Ein Land, da leben Menschen." findet in der Zeit vom 16. Juli bis 12. August 2012 in der Kirche St. Maximilian in München (Deutingerstr. 4) statt.

Benedikt Fuhrmann ist verheiratet und lebt in Bad Tölz.

MM: Sehr geehrter Herr Fuhrmann, wie kommt man in unserer Zeit, in der die Islamische Republik Iran mehr oder weniger zum Feindbild Nummer Eins in den Medien erkoren wird, ausgerechnet auf die Idee kreuz und quer durch den Iran zu reisen, noch dazu mit einem Wohnmobil?

Benedikt Fuhrmann: Ich wollte ursprünglich nur durch den Iran reisen um nach Pakistan und Indien zu kommen. Als ich dann aber so positiv überrascht wurde von diesem Land, seinen Menschen und seiner Kultur, habe ich mich entschlossen dort zu bleiben und dieses Land genauer kennen zu lernen.

MM: Wie waren ihre ersten Eindrücke im Iran und wie haben Sie sich überhaupt verständigt, insbesondere außerhalb der Großstädte?

Benedikt Fuhrmann: Mein erster Eindruck war ein Grenzbeamter, der mich zum Tee trinken eingeladen hat. Ein weiterer eine riesige Stadt, die wirklich beeindruckend ist und eine große Herausforderung für einen jeden deutschen Autofahrer. Verständigt habe ich mich am Anfang mehr mit Händen und Gesten. Nach ein paar Monaten entwickelte sich mein Persisch recht schnell. Ich war angewiesen darauf, diese Sprache zu lernen. Auch in den Großstädten ist es gut, wenn man Persischkenntnisse hat. Auf den Dörfern hilft dann auch immer wieder selbst das Persisch nicht weiter, denn dort gibt es auch eigene Dialekte und Sprachen, die ich nicht verstehen konnte. Aber es gibt ja auch eine universelle Sprache mit der man sich dann eben unterhält.

MM: Der unerfahrene Leser in Deutschland hat die Vorstellung, dass sie auf Schritt und Tritt beobachtet wurden, ständig ein Begleiter an ihrer Seite war und sie jedes Filmmaterial zensieren lassen mussten. Wie frei konnten sie drehen und sich mit den Menschen unterhalten?

Benedikt Fuhrmann: Einerseits ist es auch so. Ich wurde immer mal wieder beaufsichtigt oder kontrolliert. Letztlich konnte ich mich aber bewegen wie ich wollte. Egal ob in Moscheen oder auch an Orten an denen nur Männer oder nur Frauen "zugelassen" waren. Ich hatte nie das Gefühl, ich wäre eingeschränkt gewesen. Unterhalten konnte ich mich mit nahezu jedem, auch mit Frauen. Allerdings war ich hier vorsichtig und einfühlsam, ich tastete mich Stück für Stück voran.

MM: Zurück in Deutschland haben sie nach Sponsoren gesucht, um eine Ausstellung zu Ihrer Reise möglich zu machen, woraus dann das wohl bisher größte Crowdfunding-Projekt Deutschlands geworden ist. Wie kam es dazu und warum glauben Sie haben Sie im Internet offensichtlich leichter Sponsoren gefunden als unter sonstigen Sponsoren? Wer waren die Spender?

Benedikt Fuhrmann: Sponsoren zu finden war unmöglich. Ich konnte zwar Menschen von der Sache selbst überzeugen, aber Geld dafür geben wollte keiner, da er oder sein Unternehmen "nichts mit dem Land Iran zu tun haben wollten". Das Feinbild oder Medienbild über Iran ist so stark, dass selbst bei der Suche nach Geldern immer genau dieses Bild zwischen mir und einer erfolgreichen Kooperation stand. So kam ich dann zur Idee alles über das Crowdfunding zu machen. In Deutschland steckt diese Art der Finanzierung noch in den Kinderschuhen, und so wurde es auch das bisher größte Crowfdfuning Projekt einer deutschen Crowdfundingplattform. Leicht war es nicht dieses Geld zu sammeln, da ich wenig Medienunterstützung finden konnte. Angefangen haben Freunde und Familie, dann kamen immer mehr Freunde von Freunden dazu und zum Ende hin waren es dann Menschen von überall her. Eine geniale Sache dieses Crowdfunding.

MM: Die Ausstellung findet in einer katholischen Kirche statt. Hatte die Kirche nicht bedenken ausgerechnet Filme und Fotos aus der Islamischen Republik Iran zu zeigen, die versuchen ein bestehendes Feindbild abzubauen?

Benedikt Fuhrmann: Auf jeden Fall hatten Kirchenmitglieder Bedenken der Idee gegenüber. Auch hat das Projekt keinerlei finanzielle Unterstützung von der Kirche erhalten, das wäre wohl zuviel des Guten geworden. Aber der Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler und Stephan Alof der Kirchenpfleger haben sich für dieses Projekt eingesetzt und so konnte es überhaupt entstehen. Ohne die beiden hätte ich es aufgegeben diese Arbeit zu zeigen, denke ich heute. Für mich ist es kein Versuch, das Feinbild abzubauen, es ist ein Schritt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und auf das Verbindende zu blicken. In der Erfahrung von Verbundenheit liegt ein Kernanliegen dieser Ausstellung.

MM: Wie sind die Reaktionen der ersten Besucher Ihrer Ausstellung?

Benedikt Fuhrmann: Sehr positiv. Nahezu alle Besucher sind begeistert von der Ausstellung. Das wunderbare sind die verschiedensten Begegnungen mit Irakern, Israelis, Iranern, Türken, Deutschen, Italienern, Isländern, Franzosen... viele Deutsche sind vor allem deswegen begeistert, da diese Ausstellung in einer Kirche stattfindet. Sie sehen dies als positives Zeichen der Kirche, die sich damit anderen Ländern, Kulturen und Religionen öffnet. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die Angst haben vor "Vermischungen" und der "Grenzenlosigkeit" dieser Art von Ausstellung in einer katholischen Kirche. Letztlich jedoch - und das überrascht mich selbst sehr - ist eine wundervolle positive Rückmeldung zu spüren.

MM: Wer ein ganzes Jahr im Iran war, hat zwangsläufig auch eine Reihe von religiösen Großereignissen, Prozession, Trauerveranstaltungen usw. miterlebt. War das nicht eher befremdlich für Sie?

Benedikt Fuhrmann: Natürlich ist dies manchmal befremdlich. Das heißt ja auch nur, es war mir fremd. Heute ist es mir nicht mehr fremd und ich erfreue mich am Islam ebenso wie am Christentum. Ich denke die Religionen verbinden uns Menschen, sie werden ja auch schließlich von uns Menschen gelebt. Wir gemeinsam schaffen sie und wir gemeinsam können auch das Verbindende in den Religionen erschaffen. Wir Menschen sind das ganze Potenzial auf dieser wundervollen Erde und somit auch das ganze Potenzial der Religionen.

MM: In den Medien der Westlichen Welt wird nahezu im Wochenrhythmus eine Kriegsdrohung gegen die Islamische Republik Iran veröffentlicht. Hatten sie das Gefühl dass die Bevölkerung in eine Art Schockstarre dadurch geraten ist und wegen der Wirtschaftssanktionen darbt?

Benedikt Fuhrmann: Die Bevölkerung hier hat in der Tat manchmal große Angst vor einem drohenden Krieg. Wie sich die Menschen im Iran dazu fühlen kann ich nur aus Gesprächen mit Freunden aus dem Iran berichten. Dort ist diese Angst kaum zu spüren. Kaum jemand im Iran rechnet mit einem militärischen Angriff aus einem anderen Land. In diesem Zusammenhang sind für mich ein wichtiges Thema die Nachrichten in unseren Medien. Ich habe das Gefühl, hier müsste grundlegend über Medienverantwortung gesprochen werden und das damit verbundene Bewusstsein dafür, was Nachrichten auslösen. Denn auch positive Nachrichten sind Nachrichten. Ich sehe ein sehr großes Potenzial in der Medienlandschaft.

MM: Was haben Sie für sich selbst mitgenommen von der Reise?

Benedikt Fuhrmann: Viele wunderbare Begegnungen mit Menschen - und - Appetit auf die persische Küche.

MM: Nicht jeder kann nach München reisen, um Ihre Ausstellung zu besuchen. Welche anderen Möglichkeiten gibt es bzw. sind angedacht?

Benedikt Fuhrmann: Ich würde gerne diese Ausstellung auch in anderen Ländern zeigen. Hierzu benötige ich Sponsoren und interessante Orte. Ich selbst wünsche mir, ich könnte in Israel ausstellen, im Idealfall in einer Synagoge. Und auf jeden Fall wäre diese Ausstellung in Deutschland auch noch in Berlin, Köln und Hamburg zu zeigen, nachdem dort auch viele Iraner leben. Ich bin gespannt, wer sich für diese Ausstellung interessiert und die Inhalte weiter transportieren möchte. Des Weiteren gibt es eine DVD über die Ausstellung, die Entstehung und die Eröffnung. Diese kann man nach der Ausstellung über unsere Webseite www.einblickiran.de erwerben.

MM: Herr Fuhrmann, wir danken für das Interview.

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