Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Ernst Wolff
 

Muslim-Markt interviewt
Ernst Wolff - Autor des Buches "Weltmacht IWF - Chronik eines Raubzugs"
12.10.2014

Ernst Wolff, 1950 geboren, wuchs in Südostasien auf, ging in Deutschland zur Schule und studierte in den USA Philosophie und Geschichte. Er arbeitete in diversen Berufen, u.a. als Journalist, Dolmetscher und Drehbuchautor. Die Wechselbeziehung von Wirtschaft und Politik, mit der er sich seit vier Jahrzehnten beschäftigt, ist für ihn gegenwärtig von höchster Bedeutung, was Grundlage seines neusten Buches "Weltmacht IWF - Chronik eines Raubzugs" war.

Ernst Wolff lebt im Großraum Berlin, ist geschieden und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

MM: Sehr geehrter Herr Wolff, nach eigenen Angaben wurde der IWF gegründet zur Stärkung eines gesunden globalen Währungssystems. Ist das schief gegangen oder war das vorgegebene Ziel von vornherein nicht aufrichtig?

Wolff: Der IWF hat nie der Stärkung eines gesunden Weltwährungssystems gedient. Sein Ziel bestand von Anfang an in der Durchsetzung der wirtschaftlichen und finanziellen Interessen der USA.

MM: Wenn damals die Dominanz der USA über die Welt eines der Hauptziele zur Neuordnung des Finanzsystems war, wer garantiert uns heute, dass die aktuellen Verwerfungen und Neuordnungen nicht dem gleichen Ziel dienen?

Wolff: Die meisten aktuellen Verwerfungen und Neuordnungen dienen dem Ziel, die globale Dominanz der USA aufrecht zu erhalten. Um den anhaltenden Niedergang der US-Wirtschaft und den Verfall des US-Dollars zu stoppen, zwingt die Wall Street das Weiße Haus, Konflikte in aller Welt anzuheizen und Kriege zu führen. Das Ergebnis ist eine Politik globaler Destabilisierung, wie wir sie zurzeit in Syrien, der Ukraine und im Irak erleben.

MM: Sie unterteilen die historische Entwicklung des IWF in vier Phasen, die einhergehen mit Kriegen, Putschen und allerlei mörderischen Umwälzungen. Aktuell befinden wir uns nach Ihrer Analyse in der vierten Phase, die Sie als „Austeritätspolitik“ bezeichnen. Was ist darunter zu verstehen?

Wolff: Die größten Finanzinstitutionen der Welt standen 2007/2008 vor dem Zusammenbruch. Durch ihre Rettung entstanden in den Haushalten der Staaten riesige Löcher. Um diese zu stopfen, wurden nicht etwa die Verursacher der Krise zur Verantwortung gezogen, sondern die Steuerzahler, also die arbeitenden Menschen. Ihnen wurde gesagt, sie hätten über ihre Verhältnisse gelebt und müssten von nun an den Gürtel enger schnallen. Die Politik der Austerität ist nichts anderes als die von der Finanzelite erzwungene und von Politikern angeordnete Senkung des Lebensstandards der arbeitenden Menschen.

MM: Bei solch einem umfassenden Raubzug, wie Sie es nennen, muss es ja auch "Schuldige" geben. Sind diese benennbar?

Wolff: Schuld ist vor allem die ultrareiche globale Finanzelite, die die wichtigsten Finanzinstitutionen unserer Zeit – weltweit operierende Hedgefonds, Großbanken und Versicherungskonzerne - beherrscht. Schuld sind ebenso alle Politiker, die diese Finanzelite unterstützen, und die Medien, die die Menschen tagein tagaus entweder falsch informieren oder von den wirklichen Problemen ablenken.

MM: Für Ihre Recherchen sind Sie weder in die Datenbank des IWF noch des CIA eingedrungen. Wenn die Erkenntnisse offen vorliegen, so dass diese nach einer intensiven Recherche publik gemacht werden können, warum wissen dann unsere maßgeblichen Politiker von diesen dingen nichts und schützen uns davor?

Wolff: Wer heute als Politiker an die Macht kommen will, muss sich vollständig dem Diktat der Finanzmärkte unterwerfen. Wer das nicht tut, ist zum Scheitern verurteilt. Deshalb zieht die Politik nur solche Menschen an, die den eigenen Vorteil über ihr soziales Gewissen stellen. Diese Politiker schützen die Menschen nicht, im Gegenteil: Die Menschen müssen sich vor diesen Politikern schützen.

MM: Und wie soll der Bürger in Deutschland sich vor seinen Politikern schützen?

Wolff: So wie in allen anderen Ländern auch: Indem er den von Politikern und Medien verbreiteten Unwahrheiten nicht länger glaubt. Nur wenn er beginnt, sich eigenständig zu informieren, wird er erfahren, dass sich die Welt keinesfalls auf dem allseits verkündeten „Pfad der wirtschaftlichen Erholung“ befindet, sondern vor einer Phase gewaltiger wirtschaftlicher Einbrüche, politischer Erschütterungen und militärischer Konflikte steht, in denen der Lebensstandard der arbeitenden Menschen im Weltmaßstab – mit aktiver Unterstützung des IWF - weiter gesenkt werden wird. Wer sich vor diesem kommenden Unheil schützen will, muss es zuerst einmal klar und deutlich erkennen.

MM: Russland, China und einige andere Länder versuchen sich von der US-Dominanz zu befreien. Müssen wir mit heftigem Widerstand in Weltkriegsmaßstäben rechnen, wenn die USA ihre Dominanz schwinden sieht?

Wolff: Die schwindende Dominanz der USA ist der mit Abstand gefährlichste Faktor in der Weltpolitik von heute. Die Regierung in Washington versucht, den Niedergang des eigenen Landes mit militärischen Mitteln aufzuhalten. Wie weit sie dabei gehen wird? Ich erinnere an den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945. Der Befehl für diesen beispiellosen Massenmord an Zivilisten kam aus dem Weißen Haus.

MM: Gott bewahre ... aber wie können wir unser eigenes System, unsere eigene Heimat dahingehend verändern, dass wieder das soziale Gewissen an Bedeutung gewinnt?

Wolff: Dazu ist eine grundlegende Vermögensumverteilung erforderlich. Die arbeitenden Menschen stehen vor einer historischen Herausforderung: Sie müssen das weltweit größte Problem der Menschheit – die Explosion der sozialen Ungleichheit – beenden. Das wird nur gehen, wenn sie die gegenwärtige Scheindemokratie durch eine wahre Demokratie ersetzen und dem Chaos der Märkte durch global abgestimmte wirtschaftliche Planung ein Ende bereiten.

MM: Sie zeigen in Ihrem Buch das Dilemma der Staatsverschuldung, denn wenn Staaten beginnen, die Folgen ihrer Schulden auf die Bevölkerung abzuwälzen, dauert es nicht lange, bis nationalistische und Sündenböcke erzeugende Ressentiments zu brodeln beginnen, wie wir es ja neuerdings auch in Deutschland erleben. Allerdings sind die USA der mit Abstand meist verschuldete Staat, wird der IWF am Ende auch die USA zerstören?

Wolff: Dazu ist der IWF gar nicht nötig. Die USA sind nicht nur das sozial ungleichste Land der Erde, sondern auch das Land, indem der Graben zwischen Arm und Reich von Jahr zu Jahr am stärksten wächst. Knapp 250 Jahre nach ihrer Gründung steuert die Weltmacht USA auf soziale Auseinandersetzungen zu, die entweder in einer Diktatur des Militärs oder der äußersten Rechten wie der Teaparty münden oder das gegenwärtige System hinwegfegen werden.

MM: Ohne zu viel aus dem Inhalt des Buches zu verraten, endet Ihr Buch mit dem Kapitel "Deutschland und der IWF - Schwarze Schwäne am Horizont" Das Buch "Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse" ist ausgerechnet von dem Börsenhändler Nassim Nicholas Taleb geschrieben worden und steht für ein völlig überraschend eintretendes Ereignis, das sich aber im Nachhinein einfach erklären lässt. Gibt es denn Hoffnung auf positive für die Menschheit nützliche Überraschungen?

Wolff: Die größte Hoffnung auf die Zukunft ist die heute fast grenzenlos mögliche Kommunikation. Diktaturen aller Art können sich nur an der Macht halten, wenn es ihnen gelingt, die Wahrheit dauerhaft zu unterdrücken. Die stärkste Triebkraft für eine positive Veränderung der Welt liegt in der Verbreitung der Wahrheit. Ich hoffe, dass mein Buch über den IWF dazu beitragen kann.

MM: Worüber wird Ihr nächstes Buch handeln?

Wolff: Mein nächstes Buch wird sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Todeskampf des US-Dollars und der von den USA betriebenen Politik der globalen Destabilisierung beschäftigen. Diese Politik kostet Tag für Tag Tausende unschuldiger Menschen das Leben und ist in meinen Augen ein historisches Verbrechen, dessen innere Logik unbedingt publik gemacht werden muss.

MM: Sehr geehrter Herr Wolff, wir danken für das Interview.

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