Im Namen des Erhabenen  

  Interview mit Prof. Podbielski

 

Muslim-Markt interviewt
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene Krankenhaushygieniker der Universitätsmedizin Rostock
25.1.2017

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Podbielski (Jahrgang 1955) hat von 1974 bis 1980 Biologie an der Universität Heidelberg studiert und mit Diplom abgeschlossen. Die nächsten sechs Jahre bis 1986 folgte ein Staatsexamens-Studium der Humanmedizin an den Universitäten Heidelberg und Mainz. Zwischenzeitlich wurde er 1982 am Dt. Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zum Dr. rer. nat. promoviert und 1986 zum Dr. med. am Zentrum für Rheumapathologie Mainz. Es folgte der Beruf als Assistenzarzt am Institut für Medizinische Mikrobiologie im Klinikum der RWTH Aachen bis 1990. Als Gastwissenschaftler arbeitete er 1991 mit einem Max-Kade-Stipendiat am Department of Microbiology an der University of Minnesota (Minneapolis, USA). Im Jahr 1992 trat er eine Stelle als Assistenzarzt in der Klinik für Innere Medizin am Klinikum der RWTH Aachen an und ist seit 1993 Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Über die Zwischenschritte Wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent wurde er 1996 Oberarzt am Institut für Medizinische Mikrobiologie im gleichen Klinikum. 1994 erlangte er die Habilitation an der RWTH Aachen mit der Lehrberechtigung "Medizinische und Molekulare Mikrobiologie". 1996 begann er eine C3-Professor für Medizinische Mikrobiologie an der Universitätsklinik Ulm. 2000 folgte er einen Ruf auf eine C4-Professor für Medizinische Mikrobiologie an die Universitätsklinik Rostock. Ab 2005 qualifizierte er sich zum Arzt für Hygiene und Umweltmedizin.

Seit 2002 ist er Mitherausgeber des Mikrobiologisch-Infektiologischen Qualitätsstandards und seit 2004 Mitglied des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) des Bundesministeriums für Wirtschaft. Im Jahr 1994 erhielt er den Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie , 1999 den Merkle-Forschungspreis und 2001 den Hauptpreis der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. Als Gutachter wird er oft engagiert, wie auch im so genannten Masern-Prozess.

Prof. Podbielski lebt im Großraum Rostock.

MM: Sehr geehrter Prof. Podbielski, sie waren Gutachter im so genannten Masern-Prozess beim Landgericht Ravensburg, in dem ein Mikrobiologe demjenigen 100.000 Euro zahlen wollte, der die Existenz von Masern-Viren in einer Publikation nachweist. Als ein Medizinstudent nach Vorlage entsprechender Veröffentlichungen das Geld versuchte einzuklagen, kam es zum Prozess. Nach einer Berufung vor dem OLG Stuttgart und einer abgewehrten Revision vor dem BGH muss der Angeklagte nicht zahlen; gibt es denn keine Masern-Viren?

Prof. Podbielski: Das Landesgericht sah durch die Vorlage von sechs Fachartikeln die Existenz von Masernviren als hinreichend erwiesen an. In den folgenden Prozessen ging es dann um semantische Spitzfindigkeiten – der Beklagte hatte initial die Belohnung für einen Artikel ausgelobt, der Kläger hatte aber sechs angebracht. Tatsächlich gibt es weit mehr als 10.000 Fachartikel zum Thema Masernvirus von Wissenschaftlern aus aller Welt – allein hier zu glauben, diese hätten sich alle über Jahrzehnte hinweg verschworen um die Welt zu belügen, belegt wenig Realitätssinn. Das Masernvirus ist in seiner genomischen Struktur komplett aufgeklärt, wenn man wollte könnte man es synthetisch im Reagenzglas herstellen. Für jeden ernsthaften Experten ist allein dies ein unumstößlicher Beweis.

MM: Und die Masernimpfung basiert auf diesen Erkenntnissen?

Prof. Podbielski: Die Masernimpfung, die auf diesen Kenntnissen beruht, arbeitet mit lebenden abgeschwächten Masernviren. Mit der Impfung wurde in den letzten Jahrzehnten das Leben von Millionen Kindern nicht zuletzt in der islamischen Welt gerettet – spätestens das sollte noch Zweifelnde überzeugen. Eine Impfung mag nicht ganz ohne unerwünschte Wirkungen sein, sie ist aber in jedem Fall um Größenordnungen harmloser als eine Infektion mit dem eigentlichen Erreger. Zudem: in den Zeiten, in denen jede Firma dieser Welt vor einem amerikanischen Gericht auf Milliarden von Dollar Schadensersatz verklagt werden kann, werden sich Pharmafirmen besonders hüten, ernsthaft schädliche Impfstoffe auf den Markt zu bringen – immerhin werden diese an gesunde Menschen verabreicht, und niemand ist klagefreudiger als ein Gesunder, der durch medizinische Handlungen krank gemacht wurde.

MM: Wem empfehlen Sie eine Masern-Impfung und wem nicht?

Prof. Podbielski: Für die Masernimpfung wie auch für alle anderen zugelassenen Impfungen gibt die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut (die oberste Bundesbehörde des Bundesgesundheitsministeriums) jedes Jahr erneuerte Empfehlungen heraus. Die sollte jeder Arzt peinlich genau beachten, wenn er Menschen impft.

Die Masernimpfung ist eine sogenannte Lebendimpfung mit vermehrungsfähigen, aber abgeschwächten Masernviren. Sie wird in einer Dreierkombination mit Mumps- und Rötelnviren bzw. in einer Viererkombination mit zusätzlich Windpockenviren angeboten. Typischerweise sollen Kinder ab dem Alter von 11 Monaten bis zum Erreichen von 2 Jahren zwei Mal geimpft werden. Dies geschieht glücklicherweise in Deutschland besser als in der Vergangenheit – ca. 98% aller Kinder erhalten die erste Impfung. Leider hapert es noch an der Wahrnehmung der zweiten Impfung, hier bewegen sich die Zahlen nur um die 90%. Für eine mögliche Ausrottung der Masern müssen wir es schaffen, dass beide Impfungen an mindestens 96% der Kinder verabreicht werden. Dass so etwas möglich ist, belegt die Ausrottung der Pocken und die kurz bevorstehende Ausrottung der Kinderlähmung (Polio).

MM: Und wer soll nicht geimpft werden?

Prof. Podbielski: Die Stiko gibt auch genau an, wer nicht geimpft werden sollte – Kinder mit angeborenen oder erworbenen ausgeprägten Immunschwächen und Schwangere gehören dazu.

MM: Wie ist es mit anderen Impfungen wie z.B. gegen Kinderlähmung?

Prof. Podbielski: Der durch die Stiko definierte Katalog an Impfungen umfasst alle, die in Deutschland zumindest für einen Teil der Bevölkerung vernünftig und nachgewiesenermaßen unschädlich bzw. frei von schweren Nebenwirkungen sind. Darunter gibt es Impfungen, die nur für bestimmte Berufsgruppen oder für Reisende sinnvoll sind. Für alle Menschen in Deutschland empfehlenswert sind die 4 oben genannte Lebendimpfstoffe sowie der im ersten Lebensjahr zu verabreichende Kombi-Totimpfstoff gegen Polio, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B und Haemophilus influenzae. Die Lebendimpfstoffe schützen wahrscheinlich ein Leben lang, die Totimpfstoffe müssen in bestimmten Abständen (5–10 Jahre) nachgeimpft werden. Für besonders anfällige Kinder sowie für Senioren empfiehlt sich die Influenza (Grippe)- und Pneumokokken-Impfung. Ferner sollten alle Kinder (auch die Jungs) bis zur Pubertät gegen Papillomaviren (Warzenviren) geimpft werden. Auch wenn einzelne Impfstoffe nicht jeden Geimpften vollständig gegen eine entsprechende Infektion schützen – so verläuft dann die Infektion bei diesen weniger dramatisch. Grundsätzlich gilt: Jede Infektion mit dem Orginalerreger birgt um Größenordnungen mehr Gefahren als eine Impfung. Und diese Gefahren umfassen dauerhafte Behinderung, Verstümmelungen und den Tod, auch in den Zeiten moderner Medizin !

Bei dieser Gelegenheit: ich habe meinen Sohn gegen alle oben genannten Erreger impfen lassen und sehe zu, dass meine Impfungen immer auf dem neusten Stand sind.

MM: Haben Sie Verständnis für Impfskeptiker, die angesichts der Profitsucht mancher Pharmakonzerne nicht immer vom Nutzen einer Impfung überzeugt sind bzw. Zweifel wegen der Risiken haben?

Prof. Podbielski: Angesichts der erdrückenden Fakten, die von ständig von medizinischen Profis rings um die Auswirkungen von Impfungen ermittelt werden – sei es zu deren Nutzen, sei es zu den ausgelösten Schäden, frage ich mich woher die Impfgegner ihre Kompetenz nehmen, Zweifel anzubringen. Der oben genannte Mikrobiologe im Masernprozess ist kein Arzt, hat außer für seine Doktorarbeit (pikanterweise über Pflanzenviren) nie wissenschaftlich und soweit im Internet erkennbar auch nie im medizinischen Bereich oder in einer einschlägigen Firma gearbeitet – für mich keine Qualifikation, um Profis auf Augenhöhe entgegenzutreten.

MM: ... und die Profitsucht mancher Pharmakonzerne)

Prof. Podbielski: Der Willen zum Profit ist bei Pharmafirmen unzweifelhaft vorhanden, nur kann das jede abstruse Verschwörungstheorie begründen? Es gilt weiterhin das oben genannte: Der Verkauf von schädlichen Impfstoffen bewirkt die Pleite einer Firma und keinen Profit.

MM: Gibt es Unterschiede im Impfverhalten zwischen den sozialen Schichten und/oder ethnischer Herkunft?

Prof. Podbielski: Zunächst gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und der restlichen Welt – in anderen Staaten werden Impfungen offenbar weit eher als Segen gesehen als hier. Das liegt daran, dass wir in Deutschland eine sehr gute medizinische Versorgung haben, die dazu führt, dass der einzelne nicht mehr in seiner unmittelbaren Umgebung erleben muss, wie elend man an banalen Infektionen erkranken und versterben kann. Dies begünstigt ein Luxusdenken in dem Sinne dass Impfungen überflüssig oder gar schädlich seien. Hinzu kommt ein stetig zunehmender Egoismus, der offenbar noch nicht einmal vor den eigenen Kindern halt macht - denn am Ende erkranken die Kinder und nicht die Eltern, die über die Impfung entscheiden. Mit einer Impfung schützt man aber nicht nur die eigenen Kinder, sondern die anderen Kinder, die wegen einer Grunderkrankung nicht geimpft werden können. Für mich korreliert in Deutschland bezeichnenderweise die Höhe des Durchschnittseinkommens eines Bundeslandes mit der Zahl der Impfgegner – diese ist nämlich in Bayern und Baden-Württemberg am höchsten. Mir liegen dagegen keine Erkenntnisse vor, dass die Religion oder die ethnische Herkunft bei der Impfgegnerschaft eine Rolle spielt.

MM: In wieweit ist die Flüchtlingsproblematik in Bezug auf vorbeugende Impfungen ein Thema?

Prof. Podbielski: Soweit Flüchtlinge aus einem Land mit schlechter medizinischer Versorgung kommen, fehlen bei diesen ggf. Impfungen und sollten in Deutschland schleunigst nachgeholt werden, egal wie alt die Flüchtlinge sind.

MM: Sie haben gleich zwei Fächer studiert, in zwei Fächern promoviert und darauf aufbauend eine Vorzeigekarriere absolviert. Was empfehlen Sie jungen Leuten, die heute mit dem Studium der Medizin beginnen?

Prof. Podbielski: Das Problem besteht maßgeblich vor Aufnahme des Studiums – es ist sehr schwer einen Studienplatz zu bekommen. Aber es lohnt sich – Medizin ist eine tolle Angelegenheit mit extrem vielen verschiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland und im Ausland und mit einer auch in Zukunft hohen Arbeitsplatzgarantie. Allerdings sind weder Studium noch Arbeit ein Zuckerschlecken, den Durchhaltewillen und die Belastungsfähigkeit muss man schon mitbringen.

MM: Herr Prof. Podbielski, wir danken für das Interview.

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