Im Namen des Erhabenen  

  Interview mit M.-A. Ramin

 

Muslim-Markt interviewt
Mohammad-Ali Ramin, iranischer Autor, Politiker, Analyst und Experte für den Dialog der Kulturen und Zukunftsvisionen
23.12.2018

Mohammad-Ali Ramin (Jahrgang 1954) hat von 1978 bis 1994 in Deutschland Maschinenbau und Verfahrenstechnik studiert und hat u.a. als Freitagsimam und Friedensaktivist den Verein „Islamische Gemeinschaft in Clausthal e.V.“ gegründet, aus dem später der Islamische Weg e.V. entstanden ist. Er hat sich u.a. kulturell, gesellschaftlich und politisch engagiert und weitergebildet. Nach seinem Studium ist er mit seiner Frau und seinen drei Kindern in seine Heimat, die Islamische Republik Iran, zurückgekehrt.

Dort machte er gleich in mehreren Bereichen Karriere, u.a. ist er Mitbegründer des vierten Fernsehkanals und war Berater des Intendanten des iranischen Funks & Fernsehens. Anschließend war er Hochschuldozent im Bereich der religiös-politischen Analyse, Fernsehkommentator für politische Themen und anerkannter Analyst und Experte für den Dialog der Kulturen. Bis heute arbeitet er bei verschiedenen Think-Tanks des Landes mit. Im Jahr 2003 war er Initiator und Veranstalter der Konferenz „Die Welt nach den USA“ an der Teheraner Universität. Im Jahr 2006 hat er gemeinsam mit Außenministerium, die „Internationale Konferenz zum Thema „Überdenken des Holocaust: Globale Vision“ (International Conference on Review of the Holocaust: Global Vision) mitveranstaltet. In den Jahren 2009/10 war er Vizeminister für Kultur und Medien. Seither arbeitet er als politischer Analyst mit Schwerpunkt Zukunftsvisionen der Islamischen Welt. Zusammen mit weiteren Experten arbeitet er an einer geplanten Verfassung für eine zukünftige Union Islamischer Republiken und engagiert sich unter anderem für den internationalen Arbain-Friedensmarsch zwischen Nadschaf und Kerbela. Dabei brachte er die Idee einer gemeinsamen islamischen Währung für die Pilger ins Spiel. Bereits im Jahr 2004 hat Herr Ramin dem Muslim-Markt ein Interview gegeben. Das aktuelle Interview erfolgte aufgrund von medialen Vorwürfen in Deutschland gegen seine Person.

Muslim-Markt: Sehr geehrter Herr Ramin, wir fallen mit der Tür ins Haus: Sind Sie ein Holocaustleugner?

Ramin: Ich fange Sie mit der Tür auf und antworte: Es ist ein willkürlicher Klischee-Vorwurf, ein unterdrückerischer Begriff gegen Andersdenkende. Wer immer so etwas behauptet, ist ein elender Verleumder, der sich sehr klug fühlt, wenn er Unsinn redet!

Muslim-Markt: Was meinen Sie damit?

Ramin: Der Heilige Quran warnt uns, Gerüchte zu befolgen, nach Unwissen zu handeln, einseitig zu urteilen und ungerecht zu verurteilen. Als Generalsekretär der Weltstiftung für Holocaust-Forschung ist es nicht mein Anliegen, diesbezüglich etwas zu bestätigen oder zu verleugnen. Nach meiner bisherigen Erkenntnis mit so vielen Fragen und Widersprüchen, ist es für ein abschließendes Urteil viel zu früh, das allerdings – wenn überhaupt – nur in einer Atmosphäre der Wahrheit und Freiheit gefällt werden kann, und nicht politische Missbrauchsziele an historische Erkenntnissen gekoppelt werden oder von diesen abhängig sind. Die islamische Lehre besagt: Wenn ihr etwas hört, was euch nicht ganz überzeugt, dann sollt ihr es weder ablehnen noch annehmen, bis ihr allumfassend darüber überzeugt werdet.

Ich denke, in diesem Bereich gibt es einen klaren Unterschied zwischen der islamischen und der christlichen Glaubensüberzeugung: Im Islam muss man über die Glaubensprinzipien – nicht nur im Rahmen der Religion – so viel fragen und so tief forschen, bis man hinreichend abgesichertes Wissen und logische Erkenntnisse erlangt, um überzeugt zu werden. Dagegen heißt im Christentum Glaube so viel wie Erahnen, Hoffen und Vermuten. Ein gläubiger Christ darf z.B. nicht das von der Kirche vorgegebene Hauptglaubensprinzip Dreieinigkeit logisch hinterfragen, danach forschen oder mit offenem Ende diskutieren. Und diese Unterschiede in der Vorgehens- und Denkweise spiegeln sich auch beim Umgang mit anderen Themen wieder.

Muslim-Markt: Offensichtlich wollen Sie diese Angelegenheit im Rahmen einer umfassenderen weltanschaulichen Debatte behandeln. Ist das sinnvoll?

Ramin: Eigentlich schon. Die westliche Welt versucht die eigene Vorgehens- und Denkweise als Vorbild und Maßstab der ganzen Welt aufzuzwingen. Alle sollen über den Holocaust so denken, wie es die Westliche Welt muss. Alle sollen Religion so betrachten, wie es in der Westlichen Welt betrachtet wird usw. Aber die Muslime werden nach eigenen Prinzipen handeln: Dazu gehört unaufhörliches Forschen, Hinterfragen, Diskutieren, bis alle Widersprüche aufgeklärt sind und sie über die jeweilige Thematik hinreichend überzeugt sind. Das sind eigentlich Werte der Aufklärung, die im Westen verloren gegangen sind, wo nur noch mit Dogmen gearbeitet wird.

Muslim-Markt: Als Argument gegen Sie wird stets angeführt, dass Sie vor 12 Jahren die sogenannte Holocaustkonferenz mitabgehalten haben.

Ramin: Es gehört zu den gängigen perfiden Methoden von Medien, die Unrechtssystemen dienen, dass sie Andersdenkende ungerecht anklagen, aburteilen und danach bestrafen, ohne ihnen jemals die Gelegenheit zu geben, sich frei zu äußern und sich vernünftig zu verteidigen. Gleichzeitig wird in solchen Fällen eine übliche Manipulation durch Verfälschung und Verfremdung praktiziert. Zunächst einmal hieß die Konferenz nicht „Holocaustkonferenz“, sondern „Überdenken des Holocaust: Globale Vision, eine Klarstellung über die Ereignisse des 2. Europakrieges“. Zum anderen verfügen zahlreiche deutsche Sender in Teheran Korrespondenten. Warum hat kaum einer von ihnen bei mir nachgefragt? Ich bin doch keine versteckte oder schwer auffindbare Person. Tatsächlich haben einige wenige nachgefragt, aber das, was ich geantwortet habe, passte nicht in ihrem Vorverurteilungsplan, so dass es nie gesendet worden ist.

Muslim-Markt: Was haben Sie denn geantwortet?

Ramin: Ich habe immer wieder gesagt: Man wird keine einzige Aussage von mir finden, in der ich die Verfolgung der Juden und Andersdenkende in Deutschland zur Zeit der Nazis geleugnet hätte. Es ist aber eine Tatsache, dass es in Deutschland verboten ist, über Details jener Verfolgung öffentlich zu diskutieren.

Muslim-Markt: Haben Sie Beispiele für diskussionswürdige Geschichtsdetails?

Ramin: Nehmen wir doch das Beispiel der Gaskammern. Daniel Goldhagen schreibt in seinem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“: „Vergasen war eine Nebenerscheinung des Abschlachtens der Juden durch die Deutschen.“ In Deutschland darf man nicht umfassend darüber debattieren. Sie verbieten jegliche wissenschaftliche Diskussion im geeigneten Rahmen darüber. Wenn seine Aussage unwahr ist, warum wurde dann dieses Buch als Bestseller so hofiert? Der Staatsanwalt legt in Deutschland die Geschichte fest. In Deutschland ist aktuell eine 90-jährige Frau aus Vlotho inhaftiert, weil sie den Holocaust als Propagandalüge bezeichnet habe. Sie hat nie jemandem ein Leid zugefügt. Alles, was sie getan hat, war die Äußerung einer Meinung. Was hat das noch mit freier Meinungsäußerung zu tun? Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Diese Vorgehensweise gegen die Kritiker, wird in der nichtfernen Zukunft, wie ein Bumerang zurückschlagen. Diese Entrechtung und Erniedrigung des deutschen Volkes hat keine friedliche Aussicht. Die Solidarität mit dieser Dame bleibt erst mehr heimlich, aber nicht mehr sehr lange.

Muslim-Markt: Warum aber wollen Sie ausgerechnet das Anzweifeln des Holocaust in Deutschland zulassen?

Ramin: Umgekehrt, ich will eine so freie Aufklärung, dass kein Zweifeln mehr bleibt und kein Meinungsverbot mehr nötig wird. Selbst Gott kann man in Deutschland ungestraft anzweifeln und unter den Deckmantel der Kunst, alle möglichen Heiligkeiten der Völker verunglimpfen. Sollen bei dem Thema Holocaust in Deutschland der Verstand ausgesetzt und Verbote erlassen werden, die mit Maßstäben der Vernunft und mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären sind? Jahrzehnte lang Erniedrigung und Verachtung der Deutschen durch pro-zionistische Medien wird aus meiner Sicht nicht mehr lange durch freidenkende Deutsche geduldet werden. Soll man den Holocaust höher stellen als Gott?

Muslim-Markt: Deutschland ist ein säkulares Land, daher stellt sich diese Frage nicht. Aber haben Sie denn gar kein Verständnis dafür, dass gerade die Deutschen angesichts ihrer Geschichte viel sensibler bei diesem Thema sind als alle anderen Völker?

Ramin: Bei welchem Thema die Deutschen angesichts ihrer eigenen Geschichte sensibler reagieren, müssen sie selbst entscheiden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass eine Enkel- und Urenkelgeneration auf Dauer bereit sein wird, für eine Schuld von Großeltern oder Urgroßeltern die Schuld zu übernehmen.

Muslim-Markt: Keiner sagt hier, dass die jetzige Generation für die Untaten der Vorfahren, mitschuldig ist.

Ramin: Richtig! Man sagt es nicht. Aber man handelt so, als ob sie mitschuldig sind. Sie müssen heute noch Waffensubventionen zahlen und finanziell einen Staat unterstutzen, der sich als Vertreter des damaligen Judentums ausgibt, obwohl er damals noch gar nicht existiert hat und seit seiner Gründung dem Ansehen des Judentums so viel Schaden in der Welt zugefügt hat, wie keine jüdische Bewegung in der Geschichte jemals zuvor. Und die Verfolgung des Andersdenkenden drei bis vier Generationen nach der Judenverfolgung ist auch eine Art Erbschuld. Selbst in den USA wird niemand ins Gefängnis gesteckt, wenn er behauptet, dass der Holocaust ein Märchen sei. Wohlgemerkt, ich habe keinen Zweifel daran, dass die Deutschen zur Zeit der Nazis, Juden und Andersdenkenden in einem ungewöhnlichen Ausmaß verfolgt haben. Doch die Frage, warum heutige Deutsche das Apartheidregime von Israel mit Milliardensubventionen unterstützen, wird auch in Deutschland nicht ewig unterdrückbar bleiben.

Muslim-Markt: Noch einmal nachgefragt: Haben Sie für die Sensibilität der Deutschen bei dieser Thematik kein Verständnis?

Ramin: Natürlich habe ich durchaus Verständnis, wenn Deutsche hierüber sensibler reagieren. Aber die Sensibilität der deutschen Machthaber gegenüber den Siegermächten sollte nicht der Sensibilität des deutschen Volkes gegenüber der eigenen Identität widersprechen. Es macht mich – wie jeden kritisch denkenden Menschen – stutzig, wenn krasse Denkverbote erlassen und die Meinungsfreiheit derart drastisch eingeschränkt wird, exklusiv bei einem speziellen Thema. Die Tatsache, dass jegliche freie Diskussion über Ursachen, Ausmaß und Wirkung des Holocaust unterbunden wird – auch widersprechende oder gar absurder Vorstellungen – spiegelt sich in der Geschichtsverfälschung wieder, zumal Geschichte nur von Siegern geschrieben wird.

Muslim-Markt: Also zweifeln Sie doch den Holocaust an, was in Deutschland als Leugnung gilt?

Ramin: Also noch einmal: Ich bin ein Holocaustforscher und kein Leugner, selbst wenn ich Fragen stelle, die unbequem für die imperiale Weltmacht sind. So stelle ich z.B. die Frage nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte in Deutschland. Warum wird in diesem Diskurs fast nie darauf verwiesen, dass die Nazis durch den Boykottaufruf deutscher Waren an der Wallstreet erst zu dieser Maßnahme getrieben worden sind? Da stellt sich die Frage nach der Einmaligkeit des Ereignisses. Der Massenmord an Juden wird als etwas Einmaliges in der Geschichte der Menschheit angesehen. Aber erst weniger als zwei Jahrzehnte zuvor hatte es ein Massaker an der iranischen Bevölkerung gegeben. In der Periode 1917-1919 ließen die britischen Besatzer ca. 40% der damaligen iranischen Bevölkerung verhungern. Zwischen 8 und 10 Millionen Iranern wurden in ihrem eigenen reichen Land ausgehungert. Darüber wird in Europa überhaupt nicht diskutiert. Warum? Weil westliche Geschichte nur von Siegern geschrieben wird und die Briten als Sieger ihre eigenen Verbrechen ungern thematisieren.

Muslim-Markt: Sie können doch das verhungern lassen von Menschen nicht mit der industriellen Vernichtung vergleichen?

Ramin: Warum nicht? Sind in den Konzentrationslagern der Nazis keine Menschen erfroren oder verhungert? Die deutschen Denkblockaden machen jegliche logisch vernünftige Diskussion zu dem Thema unmöglich. Unsere Konferenz 2006 in Teheran war eine Plattform für alle auch als Hilfe für Deutschland und die Deutschen gedacht, sich endlich von eigenen Denkblockaden zu befreien und wissenschaftlich derart abgesichert darüber zu diskutieren, dass keine Meinungsverbote mehr nötig sind.

Muslim-Markt: Herr Ramin, verurteilen Sie in aller Klarheit den Rassismus des Nazi-Regimes?

Ramin: In aller Klarheit und Deutlichkeit: Aus meiner tiefsten Glaubensüberzeugung heraus und als Mitglied der Menschheit bin ich gegen jede Form von Rassismus unabhängig davon, ob er gegen Juden oder andere Menschen gerichtet ist. Ich verurteile jeden Rassismus der Geschichte, um auch daraus zu lernen und heutigen Rassismus zu verhindern. Die Methoden, mit denen Juden und Andersdenkende im Laufe der zwei/drei tausend Jahre Geschichte der Europäer, aber besonders zuletzt in Deutschland verfolgt und unterdrückt worden sind, können aus meiner Sicht nicht angezweifelt werden, obwohl ich die Bestrafung eines Zweiflers für fragwürdig und gleichzeitig Ablenkung betrachte. Es würde mich nicht wundern, wenn in wenigen Jahrzehnten auf die heutige Zeit zurückgeblickt wird und den deutschen Leitmedien vorgeworfen wird, dass sie auch heute Juden unterdrücken, indem sie jedes Verbrechen Israels und die Apartheidpolitik mit dem sogenannten jüdischen Staat und damit Judentum in Verbindung setzen. Rassismus gegen jegliche Menschengruppe ist eine verabscheuungswürdige Denkweise und ggf. Tat. Allein der Begriff „Rasse“, steht im Widerspruch zu meiner Glaubensüberzeugung. Im Islam gibt es nur eine einzige Menschenrasse aber viele Völker.

Muslim-Markt: Aber mussten Sie zu der Konferenz in Teheran (2006) ausgerechnet Menschen einladen, die zu den übelsten Rassisten Europas gehören? Die sind doch in der Regel auch keine Freunde der Muslime!

Ramin: Für die Einladung der Gäste war ein Gremium zuständig und es wurde damals ein sehr breites Spektrum an Teilnehmern eingeladen, von denen einige aus Deutschland nicht kommen konnten, weil ihnen die Reisepässe entzogen worden sind, damit sie nicht daran teilnehmen. An der Konferenz konnten alle Wissenschaftler und Forscher teilnehmen, aber auch Zweifler oder Übertreiber. Der arabische Israeli Chaled Machmid war ebenfalls eingeladen, der in Nazareth ein Holocaust-Museum leitet, aber die Israelis haben ihm die Ausreise verweigert. Selbst mehrere jüdische Rabbiner der orthodoxen Gruppe Naturei Karta haben teilgenommen. Der britische Rabbiner Ahron Cohen hat in seinem Redebeitrag ausdrücklich betont, dass der Holocaust umfassend dokumentiert und belegt sei. Wir haben keine Berührungsängste mit dieser Meinung. Doch dann hat er etwas gesagt, was man in Deutschland nicht sehr gerne hört. Er hat behauptet, dass die Zionisten beim Holocaust mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben, um die Gründung Israels zu erleichtern.

Muslim-Markt: Teilen Sie diese Meinung?

Ramin: Ich mache es mir nicht so leicht und bequem, schnell über ein Ereignis zu urteilen. Wir sollten die Historiker verschiedener Ansichten zu Wort kommen lassen. Mir geht es vor allem darum, dass wir die Geschichte richtig verstehen, daraus lernen, die negativen Erfahrungen nicht immer wiederholen, Volksaufhetzungen nicht immer neu gestalten und dass das Leid so vieler Menschen und verschiedener Völker ein Ende findet. Israel ist doch nicht von Hitler geplant gewesen. Die Balfour-Deklaration wurde zu einer Zeit abgegeben, da gab es von Hitler noch keine Spur in der politischer Arena Deutschlands. Aber in der Folge des Zweiten Weltkrieges gab es Massenvertreibungen, Terror, die Vernichtung von hunderten Dörfern und gewaltsame Enteignungen von Millionen von Palästinenser, ein Zustand, der bis heute anhält. Warum sprechen wir nicht darüber? Das, was den Juden durch Deutsche oder zuvor den Iranern durch Engländer angetan worden ist, aber auch anderen Völkern z.B. in Afrika, Amerika und Australien usw., kann niemand wieder gut machen. Aber für das, was heute in Palästina, Jemen und Myanmar geschieht, sind wir alle mitverantwortlich.

Muslim-Markt: Erlauben Sie, dass wir dennoch eine weitere Frage zu jener Konferenz stellen? Warum haben Sie einige der teilnehmenden Rassisten als „Helden“ bezeichnet?

Ramin: Mich wundert nicht, dass man so sehr auf einer Konferenz herumhackt, die zwölf Jahre zurückliegt, da man einfach nach Vorwänden sucht, um Andersdenkende zu unterdrücken. Wenn ich damals den einen oder anderen Teilnehmer als „Helden“ bezeichnet habe, dann doch nur wegen dem Risiko der „Meinungsfreiheit“. Die Teilnehmer – insbesondere die deutschen Teilnehmer – haben das Risiko schwerster Repressalien auf sich genommen, nur um ihre Meinung frei äußern zu können. Das habe ich als heldenhaft bezeichnet, ohne über den Inhalt der Meinung, ob sie richtig oder falsch ist, zu urteilen. Das bedeutet doch aber nicht, dass jene Menschen in allen Lebenslagen und bei allen Themen als Helden einzustufen sind. Die deutschen Repressalien haben diese Kritiker zu Helden gemacht, ohne dass sie es begreifen. Der europäische Rassismus ist mir stets zuwider gewesen, unabhängig davon, ob er sich damals gegen Juden oder heutzutage gegen Muslime richtet. Durch die Ablenkung von eigentlichen aktuellen Problemen auf die Geschichte, ohne die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, wird die Existenz eines Apartheidsregimes gerechtfertigt. Das ist unmenschlich und breitet automatisch die nächste Verurteilung des deutschen Volkes aufgrund seiner heutigen Schweigsamkeit vor.

Muslim-Markt: Das Existenzrecht Israel in Deutschland anzuzweifeln gilt als antisemitisch gemäß einiger Antisemitismusbeauftragter.

Ramin: Und damit sind wir endlich bei dem Thema, das die Ursache für alle diese Verleumdungen gegen die Person X oder Gruppe Y ist. Deutschland verleugnet seine eigenen Grundsätze, sein eigenes Grundgesetz, seine eigenen kulturelle Werte und Würde, um ein Apartheidsregime zu schützen. In Ihrem Grundgesetz steht, der hohe islamische Wert: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Jeder Staat, der auf Menschlichkeit basiert, müsste diesen Grundsatz akzeptieren und praktizieren. Imam Ali (Friede sei mit ihm) hat diesen Grundsatz bereits vor 1400 Jahren in seinem Regierungsauftrag an Malik al-Aschtar verankert. Jener Regierungsauftrag ist die Grundlage für die Verfassung der Islamischen Republik Iran und er ist eine Mahnung an alle Regierungschefs in allen Zeiten und an allen Orten.

Es gibt wohl keinen Zweifel, dass genau der Gleichheitsgrundsatz vom Apartheidsregime Israel mit Füßen getreten wird. Das Existenzrecht eines Apartheidsregimes ist gegen jegliche Menschenrechte und Menschenwürde.

Muslim-Markt: Sie meinen Israel hat kein Existenzrecht?

Ramin: Unser Oberhaupt Imam Chamenei, den Viele als Heiligkeit unserer Zeit ansehen, hat in einer Grundsatzrede darauf verwiesen, dass die Islamische Republik Iran nach ihrer Gründung lediglich zwei Regime als System nicht anerkennt und abgelehnt hat: Das Apartheidsregime Südafrika und das Apartheidsregime Israel. Südafrika ist kein Apartheidsrgime mehr und deshalb haben wir inzwischen gute Beziehungen. Eines Tages wird auch Israel kein Apartheidsregime mehr sein, und dann werden die einheimischen Bürger darüber entscheiden, wie ihr Staat in Palästina heißen soll. Wir lehnen Apartheidsregime ab, ebenso wie die 12000 Mitglieder-NGOs in Durban/Südafrika im August 2001 bei der World Conference against Racism Apartheidsregime abgelehnt haben, wohingegen Deutschland mit Verweis auf den Holocaust jegliche Diskussion darüber mit der Antisemitismuskeule unterbindet. Auch dieses Interview würde Ihnen sicherlich Schwierigkeiten bereiten, wenn Sie eine etwas größere Reichweite hätten.

Muslim-Markt: Machen Sie sich um uns keine Sorgen. Haben Sie denn keine Sorge, dass Sie mit Ihren Ansichten die europäischen Neonazis und Rassisten in der heutigen Politik unterstützen?

Ramin: Die Neonazis wurden meine Ansichten nicht ausnutzen können, weil ich Israel als rassistisch ablehne aber gleichzeitig den Dialog der Religionen und den Schutz auch der Juden für wichtig erachte. Wenn ich mir sämtliche rassistischen und rechtsextremen Parteien in Europa anschaue, so sehe ich, dass sie einerseits feindlich gegen nichtchristliche Religionen gesonnen sind – also auch gegen Juden – aber allesamt sehr gute Beziehungen zu Israel haben, meist noch bessere, als die etablierten Parteien. Das ist auch kein Wunder. Schließlich war auch beim Apartheidsregime Südafrika ausgerechnet Israel jenes Regime, das bis zum Ende an der Seite der Rassisten stand. Der Islam lehnt jede Form von Rassismus ab, unabhängig davon, ob sie gegen Juden, Christen, Muslime, weiß, schwarz oder andere gerichtet ist. Daher verstehe ich auch nicht, dass es zwar Antisemitismusbeauftragte gibt aber nicht Antirassismusbeauftragte. Warum trennt man das voneinander? Antisemitismus war stets ein Phänomen der Europäer, niemals der Orientalen oder Muslime. Die heutige Ablehnung Israels durch die Muslime richtet sich nicht gegen das Judentum als Religion oder Rasse, sondern gegen ein Besatzungsregime und gegen Apartheid. Die Europäer wissen doch, dass christliche und jüdische Vertreter dem Parlament der Islamischen Republik Iran angehören. Es ist doch mehr als absurd, einen Anhänger der Islamischen Revolution als Antisemiten zu verleumden. Es gehört zu den Verschwörungen der Zeit, dass man versucht, die Dinge miteinander zu vermengen, um Muslimen etwas anzulasten, was historisch nicht mit dem Islam und den Muslimen in Verbindung zu bringen wäre. Schauen Sie doch in die Geschichte. Es waren Iraner, die Juden vor der Versklavung gerettet haben. Es waren Muslime in der Türkei, Iran und in einigen arabischen Ländern, die die geflohenen Juden aus Deutschland aufgenommen haben. Ein gläubiger Muslim ist niemals antisemitisch, denn das würde seinem Glauben fundamental widersprechen. Aber ein gläubiger Muslim steht stets an der Seite der Unterdrückten. Daher stehen sie heute an der Seite der Palästinenser, aber auch an der Seite der Unterdrückten in Frankreich oder anderen Orten.

Noch ein Satz zu den Rechtsgruppen: Ich habe persönlich die Gäste auf der Konferenz in Teheran davor gewarnt, die Untaten des Hitlerregimes zu unterstützen oder selber rassistische Gedanken zu vertreten. Ein Muslim ist immer verpflichtet, jeden zu Recht und Gerechtigkeit einzuladen.

Muslim-Markt: Lassen wir dieses Thema. Erlauben Sie eine Frage zu einer anderen Konferenz. War es klug im Jahr 2003 eine Konferenz mit dem Titel „Die Welt nach den USA“ an der Teheraner Universität zu veranstalten?

Ramin: Ob und wie es klug war, überlasse ich Anderen zu entscheiden. Aber mit Blick auf die aktuellen Weltereignisse kann festgestellt werden, dass es zumindest sehr weitsichtig war. Was damals bei Manchen wie ein Skandal gehandelt wurde, ist heutzutage durchaus gängige Denkpraxis der Eliten in der Westlichen Welt. Gibt es noch einen informierten Denker, der daran zweifelt, dass die USA immer mehr von ihrer Weltmachtkariere verliert? Donald Trump ist ein klarer Beweis dafür, dass die USA nicht mehr Ehre, Respekt und Glaubwürdigkeit in der Weltgemeinschaft verdient. Diesen momentanen Zustand der USA habe ich damals beschrieben.

Nun haben die USA nach eigenen Angaben, die historisch größten und schärfsten Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran verhängt, die jemals über einen Staat verhängt worden sind. Was hat denn der Iran getan, dass solch eine Maßnahme gerechtfertigt wäre!?! Jene Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Welt aus den Fugen geraten ist und die USA zunehmend ihren Einfluss verlieren. Die Kündigung des Atomabkommens mit Iran hat dazu geführt, dass kein Staat mehr den USA glaubt. Der Rausschmiss Irans aus dem angeblich so neutralen SWIFT-Abkommen hat dazu geführt, dass inzwischen mehrere Staaten an Alternativsystemen arbeiten und die USA ihren Einfluss auf dem Finanzsektor verlieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass in vielen Thinktanks dieser Welt bereits Pläne erarbeitet werden für eine Zeit nach dem Zusammenbruch der USA vergleichbar dem Zusammenbruch der damaligen UdSSR, das auch nur wenige vorhergesehen haben.

Muslim-Markt: Wie sehen Sie die zukünftige Deutsch-Iranische Zusammenarbeit?

Ramin: Deutschland ist in vielerlei Hinsichten durch England-USA-Israel unterjocht. Imam Chamenei hat bei den Atom-Gesprächen mit den fünf Atom-Mächten veranlasst, zum ersten Mal seit der Gründung der Bundesrepublik, die Deutschen bei einer international bedeutsamen Angelegenheit neben den Siegermächten ebenbürtig teilnehmen zu lassen. Darüber hat man noch nirgendwo in der Öffentlichkeit Deutschlands gesprochen. Die Deutschen werden sich eines Tages beim Imam Chamenei dafür bedanken. Aus unserer Sicht, kann und soll das deutsche Volk in der neuen gerechten Welt, ohne USA-Zwang, eine sehr wichtige Rolle spielen als befreiter und dann gerechter Akteur, der sich für wahren Frieden und Gerechtigkeit einsetzt. Das deutsche Volk und ihre Eliten hätten das Potential dazu, wenn sie aus dem Joch der Siegermächte befreit wären.

Muslim-Markt: Abschließend interessiert uns, womit Sie sich derzeit vor allem beschäftigen und wann wir Sie einmal mehr in Deutschland begrüßen dürfen.

Ramin: Aktuell arbeite ich gedanklich und inhaltlich im Rahmen des inzwischen weltgrößten Friedensmarsches zwischen Nadschaf und Kerbela, an dem ca. 20 Millionen Menschen an einigen bestimmten Tagen des Jahres teilnehmen. Dieser Marsch, der bisher von den westlichen Medien größtenteils ignoriert worden ist, birg in meinen Augen das Potential zur Befreiung der Welt aus dem Krieg und Ungerechtigkeit und fördert den Frieden und die Kooperation der Völker und Religionen in den Diensten der Menschheit. In diesem Zusammenhang stehen auch die aktuellen Überlegungen an einer Grundverfassung der Union Islamischer Republiken.

Was meine Reise nach Deutschland angeht, so habe ich meinen letzten Visumsantrag nach einer Einladung zu einer Konferenz im Jahr 2003 gestellt. Der Antrag wurde damals abgelehnt, ohne dass mir jemals mitgeteilt worden ist, was die Begründung für mein Einreiseverbot war. Danach hatte ich mehr als hinreichend in unserer Gegend zu tun und bin nie mehr auf die Idee gekommen, nach Europa zu reisen. Wenn Sie eines Tages eine Bundesregierung haben, die frei vom Einfluss der USA und des Zionismus ist und die gleichberechtigte Beziehung mit den Muslimen und der Islamischen Republik Iran sucht, dann können Sie mich noch einmal fragen- so Gott will.

Muslim-Markt: Herr Ramin, wir danken für das Interview.

Ramin: Ich danke auch und wünsche allen Ihren christlichen Lesern ein gesegnetes Fest zum Geburtstag Jesu - der Friede sei mit ihm und seiner heiligen Mutter.

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